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Rezension: Obama – ein ganz normaler Realist

Peter Rudolf erteilt den Träumern einer neuen US-Außenpolitik eine Lektion: Auch dieser Präsident wird vom Kongress ausgebremst werden.

Die Gesundheitsreform in Gefahr, die Gestaltungsmehrheit im Senat nach dem Wahldebakel in Massachusetts verloren – für US-Präsident Barack Obama beginnt das zweite Jahr seiner Amtszeit ernüchternd. Auch in der Außenpolitik hat er bislang noch keine großen Erfolge vorzuweisen. Liegt es an den Hinterlassenschaften seines Vorgängers? Braucht Obama schlicht mehr Zeit – wie er es auch bei der Entgegennahme des auch von vielen Amerikanern als verfrüht angesehenen Friedensnobelpreises von der Weltöffentlichkeit erbat?

Das Buch „Das ,neue’ Amerika. Außenpolitik unter Barack Obama“ liefert erstmals einen genauen Überblick über die strategischen Ziele seiner Außenpolitik. Peter Rudolf – Leiter der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik, des außenpolitischen Thinktanks von Bundesregierung und Bundestag – ordnet seinen Überblick dabei in das Kernparadigma der Außenpolitik Obamas ein: das Ziel, der USA zu neuer Glaubwürdigkeit zu verhelfen und die US-amerikanische Führungsrolle in der internationalen Politik zu erneuern.

Dabei folgt Obama zwei Traditionslinien der amerikanischen Außenpolitik. Der Rolle der USA als „wohlwollender Hegemon“ und der in den USA weiterhin ungebrochenen Selbsteinschätzung als unverzichtbare Nation, deren Führung unerlässlich sei, um die Rückkehr destabilisierender Rivalitäten der Großmächte zu verhindern und der Welt als Vorbild zu dienen. Dieses Rollenverständnis fuße auf den nach wie vor überragenden militärischen, wirtschaftlichen und technologischen Machtressourcen der USA. Der missionarische Eifer und hegemoniale Führungsanspruch der Präsidentschaft Bush sei Obama aber fremd. Vielmehr verfolge er „eine liberal-multilaterale Konzeption der Führungsrolle der USA“.

Als die Testfälle für die Legitimität des Führungsanspruchs der USA bezeichnet Rudolf die Klimapolitik und die nukleare Abrüstungsspolitik, in denen Obama beinahe visionären Wandel versprochen habe. Doch Obamas ehrgeizige Agenda kann am US-Kongress scheitern. Fielen die USA deshalb beim Klimagipfel in Kopenhagen kaum als Innovator auf?

Zentrale Herausforderung Obamas seien Konfliktregelungen im Nahen und Mittleren Osten, die wegen traditioneller Kerninteressen der USA angestrebt werden müssten: Öl und Israel. Bedauerlicherweise zeigt aber die jüngste Vergangenheit, dass die von Obama angestrebten Verhandlungen über die Fragen eines „permanenten Status“ zwischen Israelis und Palästinensern alles andere als in Reichweite sind. Auch in dem von Peter Rudolf gut analysierten Konflikt um das iranische Atomprogramm, in dem Obama mit der Politik der „ausgestreckten Hand“ einen Neuanfang wagte, ist der positive Ausgang der amerikanischen Verhandlungsbemühungen keineswegs sicher.

Desillusionierend sind die Ausführungen zu Afghanistan und Pakistan. „Vielleicht wäre manches anders und besser gelaufen“, so Rudolf, „wenn die Regierung Bush nicht so vieles falsch gemacht oder unterlassen hätte.“ Die neue AfPak-Strategie Obamas betone, dass eine Stabilisierung Afghanistans nur gelingen könne, wenn zuvor in Pakistan Taliban und Al Qaida zerschlagen würden – auch deshalb, damit die Atomwaffen des Landes nicht in die Hände von Terroristen fallen. Obama ziele vorrangig nicht mehr auf die Demokratisierung Afghanistans oder gar der ganzen Region ab, sondern verfolge minimale, sicherheitspolitisch definierte Ziele, damit Afghanistan nicht wieder zum „sicheren Hafen“ von Terroristen werde und die US-Truppen so bald wie möglich abgezogen werden könnten.

Das Schlusskapitel unter der Überschrift „Folgen für die deutsche Amerikapolitik“ hätte ausführlicher ausfallen können. Rudolf appelliert an Berlin, die USA als Weltordnungsmacht konstruktiv, aber keineswegs bedingungslos zu unterstützen. Es sei im deutschen Interesse, dass die USA auch künftig internationale Sicherheit gewährleisten, auch wenn diese Ordnungsfunktion in Deutschland oftmals nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Doch internationale Sicherheit sei wie Sauerstoff: Man merke sie in der Regel erst, wenn sie dahinschwinde.

Peter Rudolf ist eine differenzierte Darstellung der Außenpolitik des US-Präsidenten gelungen. Bisher ist dessen Außenpolitik ein Versprechen auf die Zukunft. Der gelobte Diskurs, die Ansprache anderer Gesellschaften, mag von großer Bedeutung sein, aber noch lange keine Gewähr für erfolgreiche Politik. Auch Peter Rudolf konstatiert: „Die Erfahrung lehrt: Aus der Anfangszeit einer Regierung sollte man nicht allzu weitreichende Schlüsse ziehen.“ Das gilt auch angesichts der innenpolitischen Implikationen der US-Außenpolitik, die stark vom Kongress beeinflusst wird, während die europäische Öffentlichkeit ihre Augen lediglich auf den Präsidenten richtet. Der Blick in die Zukunft ist daher zwiespältig. Einerseits bescheinigt Rudolf, Barack Obama agiere international mit kultureller Empathie und selbstkritischer Reflexion. Andererseits müsse er aber unter Bedingungen handeln, die seinen Gestaltungsspielraum in einem Maße einschränken, dass mehr Kontinuität als Wandel die Folge sein könnte. Auch kann sich der Friedensnobelpreis noch als Mühlstein am Hals des US-Präsidenten erweisen, da sein Handeln nun immer an dieser Auszeichnung gemessen wird. Zudem werden die USA auch zukünftig unilateral handeln, wenn sie nationale Interessen gefährdet sehen. Obamas Außenpolitik ist, so Peter Rudolf, keineswegs idealistisch, sondern außerordentlich pragmatisch und – auch im politikwissenschaftlichen Sinne – realistisch. Auf den Obama- Rausch der letzten eineinhalb Jahre könnte ein Kater folgen.

– Peter Rudolf:

Das „neue“ Amerika. Außenpolitik unter

Barack Obama.

Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2009. 168 Seiten,

10 Euro.

 Markus Lackamp

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