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Kultur: Liebesgrüße aus Moskau

Bernhard Schulz über Geld, Kunst und vergessene Sammler

Nun kommt sie doch nach London. Die Ausstellung, die in Düsseldorf so schön „Bonjour Russland“ hieß und „Französische und russische Meisterwerke aus Moskau und St. Petersburg“ zeigte, wird heute unter dem griffigen Titel „From Russia“ in der Londoner Royal Academy eröffnet. From Russia with Love kam in dem legendären James- Bond-Film von 1963 bekanntlich eine KGB-Agentin – und diesmal kam von dort die recht ungemütliche Drohung, die Ausstellung abzusagen. Zu befürchten stand, dass Erben der 1918 enteigneten Sammler Morosow und Schtschukin, die die französische Moderne nach Moskau geholt hatten, Ansprüche geltend machen und Gemälde beschlagnahmen lassen könnten. Flugs gab die Regierung Ihrer Majestät vor dem Unterhaus die von Moskau geforderte Zusicherung „freien Geleits“ für die Bilder.

Nun ist derlei längst Usus im internationalen Leihverkehr; das Vereinigte Königreich hatte lediglich formell zu bestätigen, was in Großbritannien noch nie auf die Probe gestellt worden ist. Die Ausstellung, so die Royal Academy, werde „Zeugnis ablegen für die ruhmreiche Geschichte russischen Sammelns und des Einflusses Russlands auf die Entwicklung der modernen Kunst“. Russian collecting klingt unverfänglich, und wenn auch die Namen von Iwan Morosow und Sergej Schtschukin genannt werden, so fehlt doch in der Londoner Ankündigung jeder Hinweis auf das Schicksal der Sammlungen und der Sammler selbst.

Mit ihren Schätzen lässt sich trefflich glänzen. Das weiß der russische Staat, das weiß auch der Energiekonzern Eon, der die Ausstellungen in Düsseldorf – seinem Firmensitz – wie in London finanziert. Eons „langjährige, enge Partnerschaft mit Russland“ habe dazu beigetragen, die Ausleihen „zu sichern“, gab der Konzern zu verstehen.

Nun ist es kein Geheimnis, dass russische Museen ihre wertvollsten Stücke hergeben, wenn nur die „Leihgebühr“ stimmt. So wird man in London Kandinskys „Komposition VII“ aus der Tretjakow-Galerie bewundern, übrigens ein Werk, dass der Wahl-Bayer Kandinsky 1913 in München geschaffen hat und erst nach Russland mitnahm, als er bei Kriegsausbruch als „feindlicher Ausländer“ vertrieben wurde. Bereits 1993 – und damals tatsächlich sensationell – kamen die Schätze der beiden Moskauer Großbourgeois nach Deutschland, nach Essen, wo die später im Eon-Multi aufgegangene Ruhrgas ihren Sitz hat. Im damaligen Ausstellungskatalog wurde das Schicksal der Sammlungen ausführlich dargestellt, das dem jetzigen Düsseldorfer Begleitbuch nur ein paar Zeilen wert ist.

Mittlerweile ist der Leihbetrieb Routine, zirkulieren die bekannten Werke, wird zum wiederholten Male Kandinskys Meisterwerk gezeigt, wenn auch immer noch als for the first time ever angepriesen wie jetzt von der Royal Academy. Im zentralistischen Russland genügt ein Wink der Regierung, um die Staatsmuseen vor den Karren der Imageförderung zu spannen. Kunst war stets ein Türöffner. Die enteigneten Türöffner der Kunst starben im Exil, Iwan Morosow 1921 im Alter von nur 50 Jahren in Karlsbad, Sergej Schtschukin 1936 verarmt in Paris.

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