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Blick von der Via dei Fori Imperiali auf die Trajansmärkte.

© Hanssen

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 51): Kakophonie des Ouvertourism

Notizen einer Italien-Reise (IV): Beim Finale in Rom mischt sich die Begeisterung über die Antike mit dem Ärger über die Lärmverschmutzung auf der wichtigsten Touristenmeile.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Immer sonntags wird die „Via dei Fori Imperiali“ zur Fußgängerzone, jene breite Schneise, die Mussolini Ende der 1920er Jahre für Aufmärsche seiner Faschisten vom Colosseum zum Nationaldenkmal an der Piazza Venezia schlagen ließ. Wunderbar könnte man hier eintauchen in die Atmosphäre des vorchristlichen Roms, dessen wichtigste Plätze sich einst rechter- wie linkerhand erstreckten. Wären da nicht die Touristenmassen. Und mit ihnen die Straßenmusiker.

Musik von allen Seiten

Denn weil jeder, der die italienische Hauptstadt besucht, nun einmal das größte jemals erbaute  Amphitheater sehen will - auch wenn er sich sonst null für die Antike interessiert - und weil es nach der Besichtigung nur einen geraden Weg gibt, um zu den anderen Hauptsehenswürdigkeiten zu gelangen, ergießt sich ein nie endender Strom von Menschen über das Pflaster. Was wiederum musikalische Wegelagerer anlockt.

Während wir also einmal mehr staunend vor der Trajanssäule standen und versuchten, herauszufinden, was sich auf dem Ausgrabungsgelände rundherum seit unserem letzten Besuch verändert hat, wehte von gleich drei verschiedenen Seiten gleichzeitig Musik herüber: Da war auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein nur sehr mäßig begabter Geiger, der zur Begleitung aus dem Ghettoblaster schmalzige Neoklassik fiedelte, da war ein Stück hinter uns der Mann mit der Gitarre, der erst Carlos-Santana-Songs spielte und dann „Let it be“. Hätte er den Rat doch nur befolgt!

Und dann hatte sich da noch, schräg vor uns, eine ganze Mariachi-Band aufgebaut, dauerfröhliche Südamerikaner, die ihre Rumba-und Samba-Rhythmen mit „Ai carinho, mia vida“-Rufen garnierten. So klingt die Kakophonie des Ouvertourism.

Charles Ives, der US-Komponist, liebte Überlagerungen mehrerer Klangebenen und hat sogar Partituren daraus gemacht. Ich wünsche mir in solchen Momenten der tönenden Luftverschmutzung nur eines: meine Ohren so zuklappen zu können wie meine Augenlider.

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