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Bernd Ribbecks Bilder sind ohne Titel.

© Bernd Ribbeck/ VG Bildunst; Foto: Andrea Rossetti

Inneres Leuchten: Die Bilderwelt von Bernd Ribbeck

Mit kleinformatigen Werken ist der Künstler bekannt geworden. Die Berliner Galerie Mehdi Chouakri zeigt nun Wandfüllendes an zwei Orten.

Von Dorothea Zwirner

Bekannt für seine kleinformatigen Malereien, die mit geometrischen Elementen ein optisches Verwirrspiel aus Form, Fläche und Farbe entfalten, sorgt der Künstler Bernd Ribbeck in seiner zweiten Einzelausstellung bei Mehdi Chouakri in den Wilhelm Hallen für eine Überraschung. Mit einer wandfüllenden Papierarbeit, zwei neuen Werkserien und einer Reihe von Miniaturen, die stilisierte Architekturformen wie Arkadenbögen oder Turmgiebel variieren und an kunsthistorische Vorgänger wie Giovanni Battista Piranesi, M.C. Escher oder Giorgio de Chirico denken lassen, gelingt dem 1974 in Köln geborenen Künstler eine beeindruckende Gesamtinszenierung, die buchstäblich neue Maßstäbe setzt.

Den Auftakt bildet ein exemplarisches Einzelwerk von 2017, das auf der petrolfarbenen Außenwand wie ein Kleinod leuchtet. Wie alle Kompositionen des Künstlers ist es in einem intensiven Malprozess der Farbauftragung und -abreibung von Acrylfarbe, Kugelschreiber oder Pigmentmarker auf MDF entstanden, bei dem sich vielschichtige Flächen und Linien zu einem prismatischen Konzentrat verdichten.

Spiel mit der Moderne

Mit diesen Tafelbildern greift Bernd Ribbeck ästhetische Strategien der Moderne auf, um einen spannungsvollen Bezugspunkt zur Geschichte der Abstraktion herzustellen. Jenseits von Ideologien oder Utopien, Konstruktivismus oder Formalismus entsteht eine Form der Abstraktion, die durch ihre innere Strahlkraft auf eine immaterielle Sphäre verweist. Standen in seinem Werk bisher malende Einzelgängerinnen wie Hilma af Klint, Emma Kunz oder Tomma Abts Pate, so knüpft Ribbeck diesmal an die Formensprache modernistischer Architektur an.

Namentlich der Architekt Bruno Taut als führender Kopf der Geheimgesellschaft „Gläserne Kette“, die ihre utopische Architektur um 1919 in einem Briefumlaufverfahren entfaltete, bildet einen zentralen Ausgangspunkt für Ribbeck. Tauts Vision einer neuen Architektur für einen neuen Menschen, der im Einklang mit der Natur und dem Kosmos lebt, wollte Spiritualität, Romantizismus und verzerrte Formen miteinander verbinden, wobei er auch die Verwendung von Buntglas und Ornament nicht scheute.

Kristalline Gartenstädte

Ein fernes Echo von Tauts visionärem Projekt „Die Stadtkrone“ von 1919 entdeckte Ribbeck in Paris in einem Bauwerk des französischen Brutalismus. Die aus dem Beton ragenden Spitzen der „Les Étoiles“ in Ivry-sur-Seine in der Pariser Banlieue erinnern tatsächlich an Tauts Kristallturm, der das architektonische Zentrum seiner idealen Gartenstadt bilden sollte. Mit diesen Bezugnahmen setzt Ribbeck eine Traditionslinie fort, die in der kristallinen Form eine sichtbare Verbindung zwischen dem Sozialen und Individuellen anstrebt und den historischen Widerspruch zwischen Modernismus und Ornament aufhebt.

Regelmäßig wie eine Kristallstruktur setzt Ribbeck auch die Arkaden und Terrassen seines wandfüllenden Scherenschnitts zusammen, der in zwei Grautönen auf heller Wandfarbe eine verblüffende Spannung zwischen räumlicher Illusion und dekorativer Fläche erzeugt. Das Motiv findet sein Echo auf der gegenüberliegenden Wand in einer fünfteiligen Werkgruppe, deren Bildtafeln in unterschiedlichen Farbklängen mit subtilen Farbverläufen von innen her zu leuchten scheinen. Wie unterschiedlich die Größenverhältnisse wirken und wie sehr „size matters“, lässt sich auch in der siebenteiligen Reihe von Miniaturen erfahren, in denen das bildfüllende Motiv des Turmgiebels zum ornamentalen Muster wird.

Eröffnung am Fasanenplatz

Eine Art Musterbuch von Ribbecks architektonischen Formenschatz bilden die rund 40 DINA-4 Zeichnungen von 2014, die ab 6. März in einer zweiten Ausstellung bei Mehdi Chouakri am Fasanenplatz präsentiert werden. In geradezu obsessiver Strichführung reihen sich die millimeterfeinen, mit dem Lineal wie auch von auch Hand gezogenen Faserstift-Linien zu Kompositionen, aus denen schematisierte Turmbauten, Moscheen, Hochhäuser und ganze Skylines emporwachsen. Auf einem umlaufenden Display präsentiert sich das zu einer Box zusammengefasste Konvolut als zeichnerisches Schlüsselwerk, das so gegensätzliche Einflüsse wie den Minimalismus und den Spiritismus miteinander verbindet. 

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