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Die chilenisch-US-amerikanische Autorin Isabel Allende, 80

© picture alliance/dpa

Isabel Allende wird 80.: Geisterhaus, später

Das Leben starker Frauen: Zum 80. Geburtstag der chilenischen Erfolgsschriftstellerin Isabel Allende.

Wer die Lebensgeschichte von Isabel Allende kennt, merkt bei der Lektüre ihres neuen Romans „Violeta“ sofort auf, als ebenjene Violeta als Ich-Erzählerin auf den Tod ihrer Tochter Nieves zu sprechen kommt. Nieves stirbt hochschwanger an Eklampsie, an lebensgefährlichen Krampfanfällen, die während einer Schwangerschaft auftreten können.

Violeta spürt Jahrzehnte nach dem Tod ihrer Tochter noch „diesen stechenden Schmerz, der sich an jenem Tag durch meine Brust bohrte und der hartnäckig wiederkehrt, sich wiederholt, mich hinterrücks anfällt.“ Auch Isabel Allende musste jenseits ihrer Romanfiktionen diese Erfahrung machen, nachdem 1992 ihre Tochter Paula im Alter von 29 Jahren an Porphyrie verstarb, einer seltenen Stoffwechselerkrankung.

Allende hat eine Stiftung für Porphyrie-Kranke gegründet, die auch Frauen in Not unterstützt, sie hat einen autobiografischen Roman über das Sterben Paulas geschrieben, und doch ist dieser Schmerz ein lebenslanger und hat Allende vermutlich beim Schreiben von „Violeta“ wieder „hinterrücks“ angefallen.

"Violeta" steht schon wieder auf Platz drei der Bestsellerlisten

Als Paula starb, war Allende schon lange eine weltberühmte Schriftstellerin. Mit ihrer 1982 veröffentlichten Familiensaga „Das Geisterhaus“ hatte sie sich in die Spur eines Gabriel García Márquez begeben, dabei allerdings die Frauen in den Mittelpunkt ihrer von 1900 bis 1973 reichenden Chronik gestellt, allesamt starke Persönlichkeiten, in denen sich nicht nur die Leserinnen in den patriarchalen Gesellschaften Lateinamerikas wiedererkannten.

Bis heute gehört Allende gerade auch in Deutschland zu einer der erfolgreichsten Publikumsautorinnen, wie „Violeta“ abermals beweist: Der Roman steht auf Platz drei der „Spiegel“-Bestsellerliste.
War „Das Geisterhaus“ schon randvoll mit chilenischer Geschichte, ließ Allende mit „Von Liebe und Schatten“ einen nicht weniger erfolgreichen Roman folgen, der sich gezielt auch mit den Massenmorden des Pinochet-Regimes beschäftigte.

Allende, 1942 im peruanischen Lima geboren, ist die Tochter eines Cousins von Salvador Allende, der 1973 nach dem dreijährigen Versuch, Chile demokratisch-sozialistisch zu regieren, von Pinochet aus dem Amt geputscht wurde. Isabel Allende musste, nachdem sie im Alter von drei Jahren 1945 mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Chile zurückgekehrt war, das Land verlassen und ging 1975 ins Exil nach Venezuela und Madrid. Zu ihrem Lebensmittelpunkt wurden schließlich die USA, hier hat sie gerade ein drittes Mal geheiratet.

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Trotzdem hat sie besonders in Chile immer wieder den Stoff für ihre weit über zwanzig Romane nach dem „Geisterhaus“ gefunden. So erzählt sie in „Paula“ auch die Geschichte ihrer Heimat mit, genau wie in „Das Siegel der Tage“, einem weiteren an Paula adressierten Roman. Mit „Mein erfundenes Land“ porträtierte sie die Mentalität ihrer Landsleute, „Inés, meines Herzens“ ist ein historischer Roman über die spanische Eroberung Chiles aus der Perspektive einer Spanierin und „Mayas Tagebuch“ hat Allende auf Chiloé im Süden des Landes angesiedelt.

Auch „Violeta“ ist ein in großen Zügen chilenischer Roman. Die Schauplätze sind die „Hauptstadt“ und der „Süden“, die Colonia Dignidad kommt vor, hier verfremdet zur Colonia Esperanza, die Ereignisse zur Zeit unter Allende und der Pinochet-Diktatur werden intensiv behandelt. Violeta erzählt ihrem Enkel Camilo aus ihrem langen, zum Teil turbulenten Leben von 1920 an, beginnend mit einer Pandemie, endend mit einer Pandemie 2020, und insbesondere der Beginn mit dem Porträt einer vielköpfigen Familie erinnert an „Das Geisterhaus“.

Allende ist eine routinierte Autorin

Wieder sind es einige starke Frauen, denen Allendes größte Aufmerksamkeit gilt: das englische Kindermädchen Miss Taylor und ihre Liebhaberin Teresa, eine frühen Feministin; Violetas Tanten Pía und Pilar. Und natürlich Violeta selbst. Sie befreit sich aus einer ersten Ehe mit einem Mann mit deutschem Hintergrund, landet in einer leidenschaftlich-problematischen Beziehung zu einem Draufgänger (mit dem sie zwei Kinder hat), wird zu einer erfolgreichen Unternehmerin und gründet im Namen ihrer verstorbenen Tochter eine Stiftung, die Frauenschutzhäuser unterstützt.

Man schluckt bisweilen, wie routiniert Allende dieses Leben und dessen gesellschaftspolitischen Hintergrund heruntererzählt, wie schnell sie den Zweiten Weltkrieg, die kubanische Revolution oder eben die Geschehnisse in Chile Revue passieren lässt. Trotzdem gehört „Violeta“ zu ihren besseren, fast kitschfreien Romanen. An diesem Dienstag feiert Isabel Allende im kalifornischen San Rafael ihren 80. Geburtstag.

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