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Doppelbildnis eines Paares, das lange für Frans Hals und seine Frau gehalten wurde.(um 1622).

© Rijksmuseum, Amsterdam (SK-A-133)

Frans Hals-Retrospektive im Amsterdamer Rijksmuseum: Beim Lachen erwischt

Der Gemütsbewegung eines fröhlichen Menschen kam kein Künstler so nah wie er. Weil Temperament für feine Leute im Bild tabu war, porträtierte er Kinder und Musiker lachend.

Die Augen blitzen, ein mokantes Lächeln umspielt seine Lippen, als wollte er sagen: Bin ich nicht fesch? Das ist „Der lachende Kavalier“ – Frans Hals‘ berühmtestes Bild – zweifellos, wie er da seine Linke in die Hüfte stützt und seinen in einem kostbar bestickten Seidenärmel steckenden Ellenbogen dem Betrachter entgegenstreckt.

Der selbstbewusste junge Mann scheint auf Brautschau gewesen zu sein, das legt sein aufwändig gearbeitetes Gewand mit den gestickten Liebessymbolen – Füllhörner, Bienen und Pfeile – nahe. Ein ganzer Kerl, dazu wohlhabend, lautet die Botschaft des 1624 entstandenen Werks, das Frans Hals‘ Ruhm neu begründete. Der sagenhaft reiche Earl of Heartford erwarb es 1865 für 51.000 Francs auf einer Pariser Auktion, die elffache Summe des zuvor gezahlten Preises.

Auf einmal war der lange in Vergessenheit geratene holländische Künstler bei Sammlern wieder gefragt. Und auch die Maler begannen in seine Heimatstadt Haarlem zu pilgern, wo im Dachgeschoss des Rathauses seine Gruppenbildnisse der Schützengilden und Armenhaus-Regenten wegen ihrer Übergröße hingen, um Hals‘ besondere Malweise zu studieren. Mit seinem lockeren Pinselstrich, dem temperamentvollen Duktus galt er als Vorläufer des Impressionismus, ein Pionier der Moderne.

Gute Laune-Gemälde

An seiner Popularität hat sich seit dem 19. Jahrhundert nicht viel geändert. Frans Hals (1582/83 bis 1666) ist immer noch der Star, er gilt zusammen mit Rembrandt und Vermeer als einer der drei Großen des Goldenen Zeitalters. Und sein „Lachender Kavalier“ ist weiterhin eine begehrte Trophäe. Der spitzbübische junge Mann, der eigentlich gar nicht lacht, sondern nur seinen blonden Schnurrbart wie einen lachenden Mund nach oben gebogen trägt, bildet den Höhepunkt der Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum.

Zum ersten Mal seit über 150 Jahren durfte er die Wallace Collection in London verlassen, obwohl laut Stiftervermächtnis eigentlich keine Leihgaben gemacht werden dürfen. Aber eine Neuinterpretation des Testaments der Witwe von Sir Richard Wallace vor wenigen Jahren sorgte für eine Sondererlaubnis.

Sie galt kurz zuvor auch schon für die National Gallery in London als Auftakt der Hals-Retrospektive. Auch nach Berlin als dritter Station darf „Der lachende Kavalier“ weiterreisen. Dort werden rund 75 Bilder ab 12. Juli in der Gemäldegalerie am Kulturforum zu sehen sein. Mit zehn Werken besitzt Berlin eine der umfangreichsten Sammlungen an Bildern von Frans Hals.

„Der lachende Kavalier“ aus der Londoner Wallace Collection gilt als das berühmteste Bild von Frans Hals (1624).

© Wallace Collection London

Während in London die Werke chronologisch gehängt waren, hat sich das Rijksmuseum für Schwerpunktthemen entschieden. Auf diese Weise brauchte sich Kurator Friso Lammertse nicht auf Datierungen festzulegen, die ohnehin vage sind, weil Hals bis kurz vor seinem Tod mit über achtzig Jahren produktiv blieb und sein Werk sich kaum in stilistische Phasen unterscheiden lässt. Lammertse fiel es nach eigener Aussage ohnehin schwer genug, von den rund 250 als eigenhändig gelten Werken die fünfzig wichtigsten auszuwählen, um den Parcours nicht zu überfrachten.

Die thematische Präsentation richtet den Blick auf immer wieder andere Besonderheiten: Größe, Technik, das Spezifische der Paarbildnisse und Gruppenporträts, die wohlhabenden Auftraggeber und einfachen Haarlemer aus dem Wirtshaus und von der Straße, die der Künstler seinerseits bat, für ihn Modell zu sitzen.

Egal ob reich oder arm, im Brokatgewand oder abgerissener Kleidung, ob selbstgewiss posierend oder ausgelassen, mit einem Musikinstrument in der Hand – die Menschen in Hals‘ Bildern wirken alle wie lebendig, weil sie mit dem Betrachter Blickkontakt aufzunehmen scheinen, ja ihn weiter durch den Raum verfolgen. Seine besondere Methode, die Figuren passagenweise mal unscharf und summarisch, mal detailliert bis in die feinste Stickerei zu erfassen, lässt sie wie im letzten Moment einer Bewegung erscheinen, als wäre es ein Schnappschuss.

Mitreißender Musiker: „Der Lautenspieler“ aus dem Pariser Louvre entstand um 1623.

© Musée du Louvre

Max Liebermann, der von seinem Sommersitz im nahegelegenen Zandvoort nach Haarlem reiste, um Hals‘ Technik zu analysieren, verzweifelte daran, als er ihn zu Studienzwecken zu kopieren suchte. Der amerikanische Maler James Abbott McNeill Whistler ließ sich bei seinem Besuch sogar einen Stuhl geben, um darauf stehend die oberen Partien der „Regentinnen des Altmännerheims“ genauer betrachten zu können. Er soll andächtig mit seinen Fingern über eines der Gesichter der alten Frauen gestrichen haben.

Von ihrer Anziehungskraft haben die Bilder weitere hundert Jahre später immer noch nichts eingebüßt, Staunen machen sie weiterhin. Der Schwung des „Lautenspielers“ aus dem Pariser Louvre, der schelmisch in die obere linke Ecke schaut, während der Hals seines Instruments in die entgegengesetzte Richtung weist, reißt mit, das Lachen des jungen Musikers steckt an. So viel Temperament verbaten sich die reichen Kaufleute und Repräsentanten der Schützengilde, Lachen, zumal Zähne zeigen, galt als unfein.

Frans Hals scherte sich darum nicht, der Gemütsbewegung eines fröhlichen Menschen kam kein Künstler so nah wie er. Man könnte ihn für einen glücklichen Maler halten, wüsste man mehr von ihm. Er starb in Armut, für ein eigenes Grab reichte es nicht. So wurde er in der Haarlemer St.-Bavo-Kirche unter dem Grabstein der Familie seiner ersten Frau beerdigt.

Heute verweist eine Bronze-Tafel auf den Stolz der Stadt, die knapp 250 Jahre nach seinem Tod das kommunale Museum im ehemaligen Altmännerhaus nach ihm benannte. Die Bilder aus dem Rathaus zogen dorthin, wo er die Regenten und Regentinnen 1664 noch gemalt hatte. Anfassen darf sie heute keiner mehr.

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