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© dpa

Jackson-Show: Oje, oh yeah!

Die Michael-Jackson-Revue "Thriller" im Berliner Admiralspalast hat keine Handlung, dafür aber Hits, Hits, Hits.

Als Elvis Presley 1977 starb, gab es weltweit rund siebzig Elvis-Imitatoren. Drei Jahre später waren es bereits zweihundert, inzwischen sollen es mehr als dreitausend sein. Rechnet man diese Zahlen weiter, so hat ein Statistiker der University of Wisconsin ermittelt, wird spätestens im Jahr 2130 die Hälfte der Weltbevölkerung Sonnenbrillen, Tollenfrisuren und buschige Fernfahrerkoteletten tragen und sich in strassbesetzte weiße Satinanzüge zwängen, um in Mehrzweckhallen oder Karaokebars „Love Me Tender“ und „Hound Dog“ zu singen.

Die andere Hälfte der Weltbevölkerung von 2130 wird wahrscheinlich mit Fedora-Hut, weißem „Saturday Night Fever“-Anzüge sowie Kraushaar-Pferdeschwänzchen „Beat It!“ kieksen und sich zwischendurch in den Schritt fassen. Michael-Jackson-Imitator, so demonstriert es das Michael-Jackson-Musical „Thriller – Live“, das am Mittwoch im ausverkauften, frenetisch mitsingenden und -tanzenden Admiralspalast seine Berliner Premiere feierte, ist ein Berufsbild mit Zukunft. Die Show, die bereits 2006 im Londoner Dominion Theatre herauskam, nun im Lyric Theatre weitere Westend-Triumphe feiert und parallel dazu mit einem zweiten Cast durch Österreich, Deutschland und die Schweiz tourt, trumpft gleich mit fünf Wiedergängern des unvergessenen Entertainment-Titanen auf. Einer davon ist ein 14-jähriger Junge, ein anderer – mutiges Gender-Switching – sogar eine Frau.

Sie alle tanzen so zackig und energiegeladen wie ihr Vorbild, sie alle dringen in die höchsten Lagen des Falsettgesangs vor, sie alle kieksen herzzerreißend.

„Can You Feel It?“ Verborgen hinter einer quer gestellten, von einer laufstegartigen Brücke überspannten Showtreppe zelebriert die fünfköpfige Begleitband den späten Titel der Jackson 5 aus dem Jahr 1980 in pumpender Lautstärke. Der Rhythmus stampft im Motown-Viervierteltakt, das Crescendo der Stimmen und Instrumente steigert sich zum Disco-Inferno. „CAN YOU FEEL IT?“ An der Rampe formieren sich vier Jackson-Imitatoren in „Sgt. Pepper’s“–Fantasieuniformen zur Chorus Line, dahinter vollführen fünf Tänzer halbwegs spektakuläre Synchronschritte.

Auf der Videowand dreht sich die Erdkugel, am Ende schwenken marschierende Pseudokrieger rote Fahnen. „CAN YOU FEEL IT?“ Wer jetzt, ziemlich exakt zur Halbzeit des zweieinhalbstündigen Musik- und Tanzspektakels, noch nicht fühlt, worum es geht, der ist verloren. Denn „Thriller“ hat keine Handlung, dafür aber Hits, Hits, Hits. Das Bemerkenswerte an dem Abend ist gerade die völlige Abwesenheit von Sinn oder Plausibilität. Stattdessen kommt es auf den Moment der Euphorie an, in dem die Zuschauer von ihren Sitzen aufspringen und sich selber in kieksende, moonwalkende, leuchtstabschwenkende MichaelJackson-Imitatoren verwandeln.

„Musical“ ist als Gattungsbegriff etwas hochgegriffen für diese Nummernrevue, die eher den Doppelgänger-Performances wie im Berliner Estrel-Hotel gleicht. Es gibt zwar einen Erzähler, aber der verkündet bloß marktschreierisch die Erfolgsbilanz des „King of Pop“. „Thriller“ ist das meistverkaufte Album aller Zeiten! Mehr Nummer-1-Hits als die Beatles! Tourneen umjubelt!

Für das Melodrama von Jacksons Leben interessiert sich die Show nicht. Mit Afroperücken und in Schlaghosen singen die Jackson 5 Soulknaller wie „ABC“, doch der Vater, der den neunjährigen Michael buchstäblich auf die Bühne prügelte, kommt nicht vor. Das „Thriller“-Video wird mit Zombie-Komparsen nachgestellt, die Neurosen des Sängers, sein Peter-PanKomplex und die Pädophilie-Vorwürfe bleiben aber im Off. Dafür gibt es zu „Shake Your Body Down“ Tanzinstruktionen. One, Two, Three, dann die rechte Hand mit gespreizten Fingern nach vorne stoßen und „Yeah!“ rufen. Oje, oh yeah!

Admiralspalast, bis 17. Januar. Di–Sa 20, Sa auch 16, So 15 und 19 Uhr.

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