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Kultur: Blitz und Donner an der Donau Das Neujahrskonzert

der Komischen Oper.

Also in Wien wäre so was überhaupt nicht möglich gewesen. Das Opernorchester spielt sein Neujahrskonzert im eigenen Haus - ohne weltweite Ausstrahlung, nachmittags und abends! Ioan Holender zeigt sich beeindruckt. Niemand hat es länger als er auf dem intrigenumwobenen Chefsessel der Wiener Staatsoper ausgehalten. Nun ist der 78-Jährige nach Berlin gekommen, um das Neujahrskonzert der Komischen Oper zu moderieren, dass sich Strauss- und Operettenklängen widmet.

Die 16. Stunde des neuen Jahres ist gerade verronnen, als Generalmusikdirektor Henrik Nánási den Dirigentenstab zur lustvollen Attacke hebt: Franz von Suppés Ouvertüre „Leichte Kavallerie“ fährt unter seinen wirbelnden Händen manch schweres Geschütz auf, samt probeweise angelegtem Wagner-Brustpanzer. Da wird auch ein leicht verkatertes Blech auf einen Schlag hellwach.

Franz Lehár hat völlig recht, wenn er seinen Paganini schluchzen lässt: „Zu der Liebe und zum Glück führt am schnellsten die Musik“. Doch der Weg dorthin wird abenteuerlich, wenn man ein Operettenprogramm mit nur näherungsweise passenden Stimmen ansetzt. Einzig Ensembleveteran Peter Renz bringt nicht nur eine Vorstellung, sondern auch eine spürbare Leidenschaft fürs Genre mit auf die Bühne. Einspringerin Liana Aleksanyan, Mirka Wagner und Dominik Köninger dagegen können an den „Zauber der Zweideutigkeit“, den Ioan Holender als magischen Kern der Operette entdeckt, nicht rühren.

Intendant Barrie Kosky, der zur Begrüßung von Publikum und neuem Jahr auf die Bühne weht, knüpft beherzt an die schillernde Unterhaltungstradition seines Hauses an und will damit auch neue Zuschauer gewinnen. In der ersten Vorstellung 2014 geben sich Wunsch und Realität nur zart die Hand. Musikchef Henrik Nánási vermeidet konsequent jeglichen Walzer-Mitschunkel-Reflex, lässt stets wie „Unter Blitz und Donner“ musizieren. Doch was doppelbödig bleibt, mit welchen Sinnenreizen gespielt wird, welche Fliehkraft so ein Walzer entwickeln kann, sieht man vor Wetterleuchten kaum.

Die Zugaben werden klassisch serviert: „An der schönen blauen Donau“ freut sich Nánási auch an kleinsten Wellen, während er beim Radetzkymarsch den Saal das Klatschen lehrt, heillos durchgeschwitzt in seinem grün schimmernden Anzug, den entfesselten Taktstock gerade packen könnend. Gleich wird er die gesamte Aufführung ein zweites Mal befeuern, mit „Leidenschaft, heißer noch als Gulaschsaft“. Nein, das ist nicht Wien. Ein Glück. Ulrich Amling

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