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Kultur: Am Scheideweg

Die Konkurrenz steigt, die lokale Unterstützung sinkt: Das Art Forum Berlin kämpft um den Klassenerhalt

Noch ist nicht sicher, ob das Art Forum dieses Jahr tatsächlich als Drehscheibe internationaler Topgalerien für jüngere Kunst unter dem Funkturm antreten wird (1. bis 5. Oktober). Sicher sei nur, so der Sprecher des Galerienbeirats, Gerd Harry Lybke von Eigen + Art, dass der Termin gehalten und die vorgesehene Anzahl Galerien ausstellen werde und man danach sehen müsse, wie es weitergehe. Die Messe sei gerüstet und Eigen + Art, das sei bekannt, immer bereit.

Doch düstere Vorzeichen sind nicht zu übersehen: Als für die Organisatoren absehbar war, dass das Art Forum dieses Jahr nicht die erwarteten 150 hochkarätigen Galerien aus aller Welt aquirieren kann, verwandelte der Galerienbeirat (Christian Nagel, Burkhard Riemschneider, Barbara Thumm, Thilo Wermke) die große Not in eine kleine Tugend und verkündete im März eine „exklusive Präsentation in neuem Gewand am Puls der Zeit“. Die Begründung war schlicht. Da andere Messen expandierten und ihr Profil verwässerten, wolle man im Gegenzug „noch kompakter, noch präziser, noch optimaler“ werden, kurzum: nur das Allerbeste der jüngeren Kunst präsentieren. Klein, aber fein solle die Messe diesmal sein. Denn in London wird eine neue Messe lanciert. Und da wollen auch die Berliner Galerien an die Startlöcher gehen.

Seit April ist klar, dass das Art Forum nicht nur kleiner in der Quantität wird, sondern dass es immer schwerer fällt, das Niveau zu halten. Ein bedeutender Teil der besten Galerien Berlins und von auswärts lässt dem Nachwuchs den Vortritt. Selbst Galerien des Beirats schwanken. Sie sind es müde, Formeln wiederzukäuen, an die niemand mehr glaubt, und wollen nichts mehr hören von mutigen, innovativen Maßnahmen für das „neue Berlin“, von der Werkstatt der Zukunft, von Pioniergeist, Jungstars und großen Talenten, überhaupt vom großen Zukunftspotenzial einer Stadt, die Zeichen setzt. Die Formeln sind hohl geworden. Der vom neuen Geist der Stadt getragene Aufbruch ist beendet. Die Mühen der Ebene, dort, wo Talente sich als Profis oder Trittbrettfahrer erweisen, haben begonnen.

Die künstlerische Leiterin der Messe, Sabrina van der Ley, erinnert daran, dass einige Berliner Galerien, die jetzt Abstand halten, durch die Präsentationen auf dem Art Forum die Zulassung für andere Messen bekamen. Sie appelliert an Verdienste, an Standortverantwortung und gibt zu bedenken, dass alle Messen zehn Jahre gebraucht haben, um auf einigermaßen sicherem Boden zu stehen. Man müsse jetzt langfristig planen.

Die Berliner Galeristin Giti Nourbakhsch, die im Sommer erstmals in Basel zugelassen ist, hat sich vier Mal am Art Forum beteiligt und bekam letztes Jahr den Preis für den besten Gemeinschaftsstand. Jetzt zögert sie und verweist auf ihre bisherigen Partnergalerien, die nicht mehr kommen wollen. Berlin sei zwar die einzige Stadt, wo sie arbeiten wolle. Aber als sie der Messe Zweifel und Bedenken mitgeteilt habe, bekam sie keine Antwort. Die Kommunikation funktioniere nicht.

Man sei, so die Galeristin Barbara Weiss, die vor zwei Jahren mit anderen den Beirat verließ, mit konstruktiver Kritik nicht weit gekommen. Die Leitung habe auf „die wunderbaren Pressereaktionen“ und die stets gestiegenen Besucherzahlen verwiesen, so als sei dies allein ein Anzeichen für Erfolg. Max Hetzler, der mit dem Verlauf der Messe so unzufrieden war, dass er trotz seines anfänglich vehementen Engagements sich seit 2001 nicht mehr beteiligt, sagt: „Ich gehe nach Basel, Miami, New York und Turin. Vier Messen sind genug im Jahr. Das Art Forum hat die höchste Fluktuation und die schlechteste Vermarktung, die ich kenne.“

Dabei gibt es kaum bedeutende Galeristen für zeitgenössische Kunst, die nicht schon beim Art Forum aufgetreten wäre. Larry Gagosian, Marian Goodman, Jay Joplin, Annely Juda – alle waren sie da und kamen nicht wieder. Das liegt nicht nur an der Messe, sondern auch am Klima, das sie in der Stadt erzeugt. Sie blieb ein Fremdkörper unter dem Funkturm. Man hat zwar den „Kunstherbst“ kreiert, aber es ist – nach bedeutenden Anfängen – nicht mehr zu sehen, dass die öffentlichen Institutionen den elektrisierenden Moment, den die Internationalität der Schwergewichte im zeitgenössischen Bereich erzeugen können, als Anlass für substanzielle Beiträge nutzen.

Der Senat interessiere sich nicht für die Messe, meint van der Ley. Zwar habe man es zwischen 1998 und 2000 geschafft, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit geringen Lotto-Mitteln Einkäufe auf der Messe tätigte (Gursky, Beecroft, Federle, Kirkeby). Doch das sei vorbei, ebenso wie das Engagement des ehemaligen Hauptsponsors Bankgesellschaft Berlin. Der Bürgermeister komme nicht einmal, wenn er als Schirmherr der Messe genannt werde. Berlin habe sich in keiner Weise interessiert gezeigt. „Wir haben alles versucht“, sagt van der Ley. „Es geht auf diesen Ebenen nichts.“

Die Galerien Berlins sind angetreten, gemeinsam zu gewinnen; gemeinsam zu verlieren, das vermögen sie nicht. Denn ihre wirklichen Ambitionen liegen nicht in Berlin: alle Berliner Galeristen, die auf großen Messen mitspielen, erzielen etwa neunzig Prozent ihrer Umsätze mit Sammlern außerhalb Berlins. Jenseits der 20 000-Euro-Marge gibt es in Berlin so gut wie keinen Markt. Der Berliner Galerist Mehdi Chouakri, der sich in Basel, in Madrid und Turin beteiligt und bislang jede Berliner Messe mitgemacht hat, meint, man müsse ein neues Auftreten der Berliner Galerien entwickeln und das Art Forum mit einem unverwechselbaren Konzept versehen. Regelmäßige Innovationsschübe, wie es sie in Basel gibt, seien in Berlin ausgeblieben. Vorschläge, wie etwa eine „Art Unlimited“, die man 1997 in Berlin erwogen habe, seien im geschäftssinnigen Basel aufgegriffen und verwirklicht worden.

In New York heißt eine Regel: Man bricht nicht die Sprossen durch, auf denen man aufgestiegen ist. In der zeitgenössischen Kunst ist alles unbeständig. Die Messen gehören zu den wenigen Kontinuitäten, die die Position der Galerie im internationalen Maßstab Jahr für Jahr markieren. Es geht auch ohne Art Forum. Aber maßgeblich kann das Gewicht der Kunststadt nur mit einer Messe werden. Sie war das einzige Symbol, das alle an der Kunst Beteiligten zu einem Gemeinsamen vereinigte. Man wird jetzt entweder seine home base verteidigen oder aber es aushalten müssen, dass nicht alle imstande waren, etwas Vitales jenseits von Eigeninteressen zu erhalten. Am Montag werden Berliner Galeristen mit der Messe noch einmal beraten.

Peter Herbstreuth

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