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Christian Thielemann ist Berliner - und Weltstar

© Matthias Creutziger

Kolumne Klassiker (6): Gesucht: Daniel Barenboims Nachfolger

Soll Christian Thielemann an der Staatsoper Daniel Barenboim beerben? Oder ist jetzt der Moment gekommen, um das Haus ganz neu zu positionieren?

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Sein besorgniserregender Gesundheitszustand hat ihn dazu gezwungen: Daniel Barenboim wird das Amt als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper zum Monatsende niederlegen. Dabei hätte sein Vertrag noch eine Laufzeit bis zum Sommer 2027 gehabt. Was das Traditionshaus nun vor ein echtes Problem stellt: Weil in der internationalen Klassikszene die Termine der Stars auf Jahre im Voraus verplant werden, steht so schnell kein Nachfolger für den Maestro zur Verfügung.

Soll Wagner Hausgott Unter den Linden bleiben?

Außer Christian Thielemann. Der Zufall will es, dass der Berliner Dirigent im Sommer 2024 die Leitung der Dresdner Staatskapelle abgeben soll. Nachdem er zuletzt gleich drei Mal höchst erfolgreich an der Lindenoper eingesprungen ist – im vergangenen Sommer bei einem Konzert, im Oktober dann als „Ring des Nibelungen“-Retter, im Dezember schließlich bei der Asien-Tournee von Barenboims Staatskapelle – gilt er vielen Klassikfans als der natürliche Nachfolger.

Was seine Reputation als Interpret angeht - vor allem der Werke Richard Wagners -, bewegt sich der 63-jährige Thielemann in der Tat auf Augenhöhe mit seinem 80-jährigen Kollegen. Aber genau da liegt auch das Problem. Wegen Barenboims Liebe zu den Musikdramen des Bayreuther Meisters wurden dessen Opern in den letzten drei Jahrzehnten ununterbrochen Unter den Linden gespielt - obwohl sie das Haus stets an seine akustischen Grenzen bringen.

Nicht nur die Neorokoko-Optik, auch die Proportionen des auf 1742 zurückgehenden Theatergebäudes machen es besonders geeignet für das barocke Repertoire, außerdem für Mozart, italienischen Belcanto und kleiner dimensionierte Werke der Moderne. Die richtig groß besetzten Musikdramen der Spätromantik hingegen passen viel besser nach Charlottenburg, in die Deutsche Oper.  

Das Ende der Ära Barenboim eröffnet der Berliner Kulturpolitik die Chance, die schon so oft geforderte Profilierung der drei hauptstädtischen Häuser in Sachen Repertoire-Verteilung in die Tat umzusetzen. Zugunsten einer stärkeren stilistischen Trennschäfte der Trias – und damit einer größeren Vielfalt der Spielpläne. Mit Christian Thielemann als neuem Generalmusikdirektor dagegen würde die Staatsoper weiterhin eine Wagner-Weihestätte bleiben.

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