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Panzerverladung in Brück. Foto: ENRICO BELLIN. Maßarbeit.

© ENRICO BELLIN PNN

Ukraine-Invasion Tag 406: Was die westlichen Waffenlieferungen über Kiews kommende Offensive verraten

Ukraine verübt Präventivangriffe auf russisches Gebiet, Macron will in China Friedensinitiative erreichen, früherer CIA-Spionagechef rechnet mit Anschlag auf Putin. Der Überblick am Abend.

Das bisher sicherste Zeichen, dass die ukrainische Gegenoffensive demnächst startet, gab es am gestrigen Dienstag. Da forderte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk ihre Landsleute auf Telegram zum Verlassen der von Russland besetzten Gebiete auf. „Sie wissen, was zu tun ist, passen Sie auf sich und Ihre Kinder auf“, schrieb sie. Ähnliche Warnungen gab es vor den Vorstößen in Kherson und Charkiw im vergangenen Jahr. 

Interessant ist, dass Wereschtschuk kein bestimmtes Gebiet nennt. Wohl, um den russischen Truppen keinen Anhaltspunkt zu geben, wo die Angriffe erfolgen könnten. Beobachter halten es allerdings auch für möglich, dass Angriffe an vielen Punkten gleichzeitig starten. Dafür spricht auch die Art der Waffenlieferungen aus dem Westen; jüngst zum Beispiel das Paket, das die USA am Dienstag ankündigten (hier die detaillierte Auflistung).

Insgesamt sieht das Paket Waffenlieferungen im Wert von 2,6 Milliarden Dollar vor. Eine gewaltige Summe. Neben den aus vorangegangenen Hilfslieferungen bekannten Posten von Munition - zum Beispiel für Artillerie und Mörser - sind dort auch größere Stückzahlen an Tank- und Transporttrucks, Berge- und Minenräumgerät und Brückenlegepanzern verzeichnet. Ausrüstung, die unter anderem auch Deutschland in größerem Umfang der Ukraine zur Verfügung stellt. 

Vor allem dieses Gerät ist es, dass auch schwere Angriffsformationen mobil macht. Größere Panzereinheiten können so schnell über vergleichsweise große Strecken verlegt und auch versorgt werden.

Ein Szenario für einen Auftakt der ukrainischen Offensive könnte demnach sein, dass Kiews Truppen an mehreren Stellen versuchen, durch die Minenfelder und russischen Verteidigungsstellungen zu brechen. An die Stellen, wo das gelingt, bringen die Trucks dann vergleichsweise schnell Verstärkung, um den Angriff zu verstärken. So könnten auch die von Russland in den vergangenen Monaten massiv verstärkten Verteidigungsanlagen durchbrochen werden.

Mick Ryan, ein pensionierter General der australischen Armee, hat das auf Twitter so zusammengefasst: „Die Aufstockung der Mobilitäts- und Überlebenshilfe für die ukrainische Armee zeigt uns, dass sich nicht nur die Bedingungen auf dem Schlachtfeld seit Beginn des Krieges verändert haben, sondern auch, dass die kommenden Offensiven der Ukrainer sehr anders aussehen werden als die im vergangenen Jahr.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Der ukrainische Präsident und seine Frau befinden sich in Polen. Am Abend wollen Selenskyj und Polens Staatschef im Warschauer Königsschloss mit Menschen aus der Ukraine zusammenkommen. Der polnische Präsident sagte Selenskyj zu, alle seine Kampfjets sowjetischer Bauart an Kiew abzugeben. Mehr hier.
  • Frankreichs Präsident Macron beginnt China-Besuch und drängt auf Zusammenarbeit: Die französische Seite ist sich sicher, dass nur Peking unmittelbar Einfluss auf Russland nehmen kann. Wie genau sich Präsident Macron das vorstellt, ist unklar. Mehr hier.
  • Toter Militärblogger soll für Wagner-Chef Prigoschin gearbeitet haben: Wladlen Tatarski erhielt einem Medienbericht zufolge im März 2021 umgerechnet 1000 Euro von Prigoschin für einen Auftrag. Der Blogger war am Sonntag getötet worden. Mehr hier.
  • Ukraine verübt Präventivschläge auf russisches Gebiet: In der russischen Region Belgorod ist es zu Angriffen durch die ukrainische Armee gekommen. Erstmals fanden diese wohl auch mit Artillerie oder Mörsern statt. Mehr hier.
  • „Ich denke, dass Putin getötet wird“: Der ehemalige Chef der CIA-Spionageabwehr, James Olson, sieht nur eine Möglichkeit, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Die Opposition gegen den Kremlherrscher wachse, sagt er. Mehr hier. 
  • Das russische Militär nutzt offenbar vermehrt Drohnen des Typs Lancet statt Artilleriegeschütze für Angriffe auf ukrainische Artillerie. Das geht aus Informationen hervor, die eine Twitter-Nutzerin zusammengetragen hat. Der österreichische Militärexperte Gustav Gressel bestätigt die Informationen. „Die Lancet 3 als Gegenfeuermittel ist eine echte Gefahr, denn es gibt wenige Möglichkeiten, sie aufzuhalten“, schreibt Gressel auf Twitter. Ob Russland seine Strategie ändert, da die Reserven an Artilleriemunition wie berichtet knapp sind, ist unklar. Mehr in unserem Liveblog.
  • Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu will mit dem russischen Ressortchef Sergej Lawrow über den Krieg in der Ukraine sprechen. Das kündigt Cavusoglu in Istanbul an. Zugleich äußert er sich besorgt darüber, dass sich die beiden Kriegsparteen jeweils auf neue Angriffe vorbereiteten.
  • Die Bundesregierung sichert in der Ukraine derzeit elf Projekte deutscher Unternehmen mit 21 Investitionsgarantien ab. Dabei werde insgesamt Kapital in Höhe von 221 Millionen Euro abgedeckt, verkündete das Bundeswirtschaftsministerium. Seit Ende Februar 2022 seien Investitionsgarantien für drei neue Projekte hinzugekommen - aus den Bereichen Saatgut, Baustoffproduktion und Solarindustrie.
  • Russland will nach eigenen Angaben die Forderung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nach einer Schutzzone um das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine unterstützen. Moskau sei bereit, an der Umsetzung der Initiative von IAEA-Chef Rafael Grossi mitzuarbeiten, teilte die staatliche russische Atombehörde Rosatom mit. 
  • Der russische Energiekonzern Gazprom hat nach einer Woche Wartungsarbeiten an der Pipeline „Kraft Sibiriens“ die Gaslieferungen darüber Richtung China wieder aufgenommen. „Die planmäßigen Prophylaxearbeiten an der Gasleitung „Kraft Sibiriens“ sind abgeschlossen“, teilte das Unternehmen am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit. 
  • Ende März erklärte der russische Ministerpräsident Michail Mischustin, einen Teil der russischen Staatsanleihen in Fremdwährungen ausgegeben zu wollen. Damit wolle Russland offenbar die Haushaltsdefizite des Landes auszugleichen, berichtet das britische Verteidigungsministerium.
  • Nach den Worten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht in dem Nato-Beitritt Finnlands eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Hätte Russland nicht mit allen Regeln der internationalen Ordnung, mit unserer europäischen Friedensordnung gebrochen, dann wäre dieser Beitritt von Finnland und hoffentlich auch bald Schweden nicht gekommen“, sagte Baerbock am Dienstagabend bei RTL. Aber der Angriffskrieg habe dazu geführt, „dass Russland genau das Gegenteil erreicht hat [von dem], was es eigentlich wollte“, fügte sie hinzu.

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