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Ein ukrainischer Soldat an der Front.

© Reuters/RFE/RL/SERHII NUZHNENKO

Ukraine-Invasion Tag 327: Die drei Brennpunkte an der Front

Zahl der Toten nach Angriff in Dnipro steigt, Erdogan will zwischen Selenskyj und Putin vermitteln. Der Überblick am Abend.

Nach den russischen Erfolgsmeldungen rund um die Stadt Bachmut in der vergangenen Woche scheint die Behauptung aus Kiew vom Montag beinahe kühn: Noch immer harren ukrainische Soldaten angeblich in Soledar aus, einer Kleinstadt nahe Bachmut. Dabei hatte die russische Wagner-Gruppe schon vergangenen Mittwoch verlautet, die Stadt eingenommen zu haben. Am Freitag dann erklärte der Kreml die Stadt für erobert.

Tatsächlich gab es noch am Wochenende ein Video, das die ukrainische Flagge in einer Salzmine ganz im Westen der Stadt zeigte. Von wann die Aufnahme war, ist unklar. Allerdings vermutet auch der britische Geheimdienst, dass sich noch ukrainische Soldaten in Soledar aufhalten. 

Vielleicht handelt es sich bei Kiews Beharren aber auch um Taktik, um die Aufmerksamkeit von den eigenen Aktivitäten an anderer Stelle der Front abzulenken. Denn in Luhansk machen die Ukrainer weiter Geländegewinne. Während aus Soledar und Umgebung täglich zahlreiche Videos in den sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, dringt von den Kämpfen um das strategisch wichtige Kreminna kaum etwas an die Öffentlichkeit. Das war auch schon bei den vorangegangenen Offensiven so, als Kiew eine Informationssperre verhängte. 

Der Fokus, der auf Soledar und Bachmut liegt, lenkt aber auch von der russischen Offensive in Wuhledar weiter im Süden ab. Wuhledar liegt strategisch gut auf einer Anhöhe und erlaubt den Ukrainern eine gewisse Kontrolle über das von Russland besetzte Gebiet um die Stadt Mariupol. Außerdem ist die Ukraine von dort aus in der Lage, die russischen Nachschublinien immer wieder zu unterbrechen. Ähnlich wie in Bachmut versuchen russische Truppen seit Wochen, die Befestigungen zu stürmen. Bisher ohne Erfolg. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Die zentralukrainische Stadt Dnipro wurde von einem Raketenangriff schwer getroffen. Es gibt Dutzende Tote. 30 bis 40 Menschen werden noch immer vermisst. Es könnte der Angriff mit den meisten zivilen Opfern seit Kriegsbeginn sein. Mehr hier.
  • Nach den Zusagen für Waffenlieferungen aus mehreren europäischen Ländern gerät Deutschland unter Druck. Polen fordert erneut mehr Militärhilfe aus Berlin. Mehr hier.
  • Russland und Belarus starten ein gemeinsames Manöver der Luftstreitkräfte. Hauptziel sei eine Verbesserung des Zusammenspiels, um Aufgaben der Kampfausbildung zu erfüllen. Mehr hier.
  • Die russische Regierung weist jegliche Berichte über Streitigkeiten mit der privaten Söldnergruppe Wagner zurück. Zuletzt hatte man überschwänglich deren „Mut“ gelobt. Mehr hier.
  • Außenministerin Annalena Baerbock schlägt in Den Haag einen Weg vor, um russische Kriegsverbrechen zu ahnden. Internationale Juristen sollen ukrainisches Recht anwenden. Mehr hier.
  • Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigt sich optimistisch beim Thema Erdgas-Preis im nächsten Winter. Derzeit sind die Speicher noch zu rund 90 Prozent voll, so der Grünen-Politiker. Mehr hier.
  • Ein ehemaliges hochrangiges Mitglied der russischen Söldnertruppe Wagner soll nach Norwegen geflohen sein und dort Asyl beantragt haben, berichtet die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf Behörden des skandinavischen Landes. Mehr in unserem Liveblog.
  • Die Türkei bekräftigt ihr Angebot, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln, um den Krieg zu beenden. Dies habe Präsident Recep Tayyip Erdogan in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wiederholt, teilt das türkische Präsidialamt mit. Die Türkei sei bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, damit es zu einem dauerhaften Frieden zwischen den beiden Ländern komme.
  • In der Ukraine sind nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 mehr als 7000 Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden. „Die meisten der registrierten zivilen Opfer wurden durch den Einsatz von Sprengwaffen mit weitreichender Wirkung verursacht“, heißt es in der Erklärung des Büros des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR). Darunter fielen schwere Artillerie, Mehrfachraketenwerfer, Raketen und Luftangriffe. 
  • Estlands Außenminister Urmas Reinsalu hat die Bundesregierung zu einer stärkeren und entschlosseneren militärischen Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine aufgerufen. „Für Deutschland hat die Entscheidung, Offensivwaffen bereitzustellen, besonderes politisches Gewicht. Aber das Paradigma muss sich ändern, damit die Ukraine sich nicht nur verteidigen, sondern die Oberhand gewinnen kann“, sagte Reinsalu am Montag im estnischen Rundfunk. 
  • Die Europäische Union zahlt der Ukraine am Dienstag eine neue Hilfstranche von drei Milliarden Euro aus. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag auf Twitter an. Sie betonte, die Regierung in Kiew benötige das Geld „dringend“, um ihren Finanzierungsbedarf infolge des russischen Angriffskriegs zu decken. Nach einem EU-Beschluss sollen in diesem Jahr bis zu 18 Milliarden Euro an die Ukraine fließen. 
  • Russland hat einem Medienbericht zufolge die ersten von Präsident Wladimir Putin angekündigten Supertorpedos vom Typ „Poseidon“ fertiggestellt. Diese Torpedos können mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden. 
  • Die russische Regierung hat trotz westlicher Sanktionen wegen des Krieges gegen die Ukraine deutlich mehr aus dem Geschäft mit Öl und Gas eingenommen. Die Haushaltseinnahmen seien im vergangenen Jahr um 28 Prozent oder 2,5 Billionen Rubel (knapp 34 Milliarden Euro) gestiegen, sagt der stellvertretende Ministerpräsident Alexander Nowak auf einer im Staatsfernsehen übertragenen Kabinettssitzung.
  • Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk hat vorgeschlagen, dass Deutschland statt Kampfpanzern vorerst Kampfjets an sein Land liefern könne. Die Bundeswehr habe 93 Tornados in ihrer Flotte, die bald ausgemustert und durch moderne F-35-Tarnkappenjets ersetzt würden, schrieb der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland auf Twitter als „kreativen Vorschlag an unsere deutschen Freunde“. 
  • Die Bundeswehr beginnt mit der Verlegung ihres Flugabwehrsystems Patriot nach Polen. Die ersten Soldaten sollten noch an diesem Montag mit ihren Fahrzeugen von Bad Sülze (Mecklenburg-Vorpommern) aufbrechen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr. 

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