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Kevin McCarthy bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus.

© REUTERS/ JONATHAN ERNST

Update

Neuer Rekord im US-Kongress: McCarthy scheitert in elf Wahlgängen – Machtkampf erneut vertagt

Der Republikaner Kevin McCarthy hat erneut nicht die notwendige Mehrheit für den Vorsitz des Repräsentantenhauses bekommen. So viele Wahlgänge gab es seit 1860 nicht mehr.

| Update:

Nach drei Tagen Wahlchaos im US-Kongress geht der Machtkampf um das höchste Amt im amerikanischen Parlament an diesem Freitag in die nächste Runde.

Nach fünf weiteren ergebnislosen Wahlgängen bei der Abstimmung über den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses stimmte die Parlamentskammer am Donnerstagabend (Ortszeit) dafür, die Sitzung auf diesen Freitag (Ortszeit/18 Uhr MEZ) zu vertagen.

Der republikanische Kandidat Kevin McCarthy ist wegen einer parteiinternen Rebellion in den vergangenen Tagen bereits in insgesamt elf Wahlgängen durchgefallen. Das Wahldrama lähmt den Kongress und ist für den 57-Jährigen eine historische Blamage.

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Die Republikaner haben in der Kammer nur eine ganz knappe Mehrheit. Daher bräuchte McCarthy fast alle Stimmen seiner Parteikollegen, um auf den mächtigen Posten gewählt zu werden, der in der staatlichen Rangfolge in den USA auf Rang drei nach dem Präsidenten und dessen Vize folgt. Doch diverse Republikaner vom rechten Rand der Fraktion verweigerten McCarthy die Unterstützung. Dadurch erreichte er nicht die nötige Zahl an Stimmen.

McCarthys Gegner bleiben hartnäckig

Trotz immer neuer Zugeständnisse McCarthys an seine Gegner sind diese bislang hart geblieben in ihrem Widerstand. Am Donnerstag stimmten wie schon zuvor 20 Republikaner hartnäckig für alternative Kandidaten aus ihrer Partei, stellten McCarthy damit bloß und versagten ihm einen Wahlsieg.

Eine weitere republikanische Abgeordnete enthielt sich. Eine Lösung für die verfahrene Situation ist bislang nicht in Sicht - trotz angestrengter Verhandlungen hinter den Kulissen.

Matt Gaetz, McCarthys lautester Gegner

© AFP/Win McNamee

McCarthys lautester Gegner nominierte sogar den früheren Präsidenten Donald Trump offiziell als Kandidaten. Im elften Wahlgang schickte der glühende Trump-Anhänger Matt Gaetz am Donnerstagabend den Ex-Präsidenten formal ins Rennen. Bei der Abstimmung können die Abgeordneten auch für Personen stimmen, die gar nicht Mitglieder des US-Kongresses sind.

Trump wurden aber keine realistischen Chancen eingeräumt, zum Vorsitzenden der Parlamentskammer gewählt zu werden. Es handelte sich eher um eine symbolische Protestaktion von Gaetz. Der Abgeordnete hatte bereits in vorherigen Wahlgängen seine Stimme für Trump abgegeben, ohne diesen allerdings vorher mit einer Nominierungsrede formal aufzustellen.

Auch diese Art der spontanen Stimmvergabe ist bei der Wahl zu dem Chefposten möglich, wenn auch wenig aussichtsreich. Trump hatte seine Parteikollegen aufgerufen, den republikanischen Kandidaten Kevin McCarthy zu wählen, der die republikanische Fraktion in den vergangenen Jahren führte.

Wir machen gute Fortschritte.

Kevin McCarthy

McCarthy sagte am Donnerstagabend nach der Sitzung: „Wir machen gute Fortschritte.“ Konkreter wurde er nicht. Der republikanische Fraktionschef bemühte sich einmal mehr, die interne Revolte gegen ihn kleinzureden und wies zurück, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwäche.

Mit Blick auf das historische Ausmaß des Dramas sagte er: „Ich mag es, Geschichte zu schreiben.“ Er halte schließlich auch schon den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus.

Die aktuelle Abstimmung über den Spitzenposten gehört bereits jetzt zu den längsten in der US-Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen wie derzeit.

Wie lange es noch geht, ist völlig unklar

Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen.

Wie lange das Gezerre diesmal andauern wird, ist völlig unklar. Es zieht sich bereits seit Dienstag hin: Das Repräsentantenhaus war da zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Parlamentswahl im November zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen wieder die Kontrolle in der Kongresskammer, wenn auch nur mit ganz knapper Mehrheit.

Doch anstatt ihre neue politische Stärke zu demonstrieren, stürzte die Partei die Kammer in Chaos und brachte die Arbeit des Parlaments zum Stillstand. Denn bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Die Kammer kann ihre Arbeit nicht aufnehmen. Nicht mal die bei neuen Abgeordneten können vereidigt werden. An gesetzgeberische Arbeit ist erst gar nicht zu denken.

Gedenkort für einen beim Sturm auf das US-Kapitol getöteten Polizisten

© Reuters/Erin Scott

Die chaotischen Zustände in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US-Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jährt sich an diesem Freitag zum zweiten Mal.

Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt Washington erstürmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen.

Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

Präsident Biden, der kurz nach der Attacke sein Amt antrat, will an diesem Freitag bei einer Zeremonie im Weißen Haus an den Gewaltausbruch erinnern und mehrere Polizisten für ihren Einsatz an jenem Tag auszeichnen.

Biden hatte das Wahldrama im Kongress am Mittwoch als „peinlich“ für das Land bezeichnet. Dabei verwies er auch darauf, dass die Vereinigten Staaten gerade erst das Chaos vom 6. Januar 2021 verarbeitet hätten und die US-Demokratie vor den Augen der Welt nun erneut „kein gutes Bild“ abgebe. (dpa)

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