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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sah den Ruf der Autorin beeinträchtigt.

© picture alliance/Jean-Christophe Bott/epa Keystone/dpa

12.000 Euro Schadensersatz: Litauen im Streit um queeres Kinderbuch verurteilt

In Litauen wird ein Märchenbuch verboten, in dem Homosexualität thematisiert wird. Der Menschenrechtsgerichtshof sieht die freie Meinungsäußerung verletzt.

Im Streit um ein Märchenbuch, das gleichgeschlechtliche Beziehungen schildert, hat der litauische Staat eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erlitten. Wie die Große Kammer in Straßburg am Montag befand, waren ein zeitweiliger Verkaufsstopp für das Buch „Bernsteinherz“ von Neringa Dangvyde Macate (1975-2020) und ein Warnhinweis für Kinder unter 14 Jahren ungerechtfertigt.

Wegen Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung muss der Staat nun der Mutter der verstorbenen Autorin 12.000 Euro Schadensersatz zahlen.

Die offen homosexuelle Autorin Macate hatte 2013 unter dem Titel „Gintarine sirdis“ eine Adaption traditioneller Märchen veröffentlicht, die von Themen wie Stigmatisierung, Mobbing, Scheidungsfamilien und Auswanderung handelte. In zwei der sechs Geschichten kamen gleichgeschlechtliche Beziehungen vor.

Das Buch zielte auf neun- bis zehnjährige Kinder. Nach Kritik des Kulturministeriums, der Medienaufsicht und mehrerer Parlamentarier wurde das Buch aus dem Handel gezogen. Ein Jahr später durfte es wieder verkauft werden, jedoch nur mit einem Jugendschutzhinweis.

Der Menschenrechtsgerichtshof sah dadurch die freie Meinungsäußerung eingeschränkt sowie den Ruf der Autorin beeinträchtigt. Hingegen fanden die Richter in den Geschichten von unterschiedlichen Beziehungen keine Herabsetzung heterosexueller Paare. Im Gegenteil werbe das Buch für Respekt gegenüber allen Gliedern der Gesellschaft.

Indem die litauischen Behörden den Zugang von Kindern zu dem Band beschränken wollten, zeigten sie nach Auffassung der Richter eine Bevorzugung bestimmter Familienformen und trugen damit zu einer fortgesetzten Stigmatisierung anderer Beziehungen bei.

Dies widerspreche den Grundsätzen von Gleichheit, Vielfalt und Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft. Unter Verweis auf frühere Rechtsprechung erklärte das Gericht zudem, es gebe keinen wissenschaftlichen Beleg, dass die bloße Erwähnung von Homosexualität oder eine Diskussion über den gesellschaftlichen Status sexueller Minderheiten Kindern schade. (KNA)

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