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Empfangskomitee. Etwa hundert Boote fuhren hinaus aufs Meer, um den Sieger des Golden Globe Race zu begrüßen. Tausende Schaulustige säumten die Hafenmole von Les Sables d'Olonne.

© Christophe Favreau/PPL/GGR

Golden Globe Race: Wie in alten Zeiten

Jean-Luc Van den Heede kommt beim Golden Globe Race als Erster ins Ziel – nach tausenden Seemeilen ohne moderne Technik.

Der Himmel ist grau und trist, das Meer ebenso. Es regnet und stürmt, als Jean-Luc Van den Heede seine Mission erfüllt. Ein paar Motorboote sind ihm an diesem Dienstag entgegengeeilt, hinaus in die Tristesse eines bretonischen Wintertages, um den Mann in den Hafen von Les Sables d'Olonne zu eskortieren, der sich mit 73 Jahren noch einmal selbst übertroffen hat. Van den Heede erreicht um kurz nach elf Uhr als erster das Ziel des Golden Globe Race (GGR) – nach 211 Tagen und 23 Stunden. Es ist die Geburtsstunde eines französischen Nationalhelden.

Schon vor dem Start des Nonstop-Rennens am 1. Juni in Les Sables d'Olonne hatte Van den Heede als Favorit gegolten. Er stach aus der Riege der 18 Solosegler heraus, die sich eine Erdumrundung unter Bedingungen wie vor 50 Jahren zutrauten, weil er diesen Weg, der geradewegs in den Südatlantik führt und in einer großen Schleife um die Antarktis herum, bereits fünf mal zurückgelegt hatte – allerdings stets auf einer modernen Rennyacht von 18 Metern Länge. Ob er Anfang der 90er Jahre beim Vendée Globe antrat oder beim BOC Challenge, jedes Mal zählte er zu den Besten. Nur gewonnen hatte er nie.

Nicht, dass das noch eine Rolle für ihn spielte, als er sich 2015 eine kleine Fahrtenyacht von elf Metern Länge kaufte, um sein Alterswerk zu vollbringen. Damals kamen Pläne auf, an das legendäre Sunday Times-Rennen zu erinnern, bei dem 1968 erstmals der Versuch einer Nonstop-Umrundung des Erdballs unternommen worden war. Der Brite Sir Robin Knox-Johnston war 312 Tage unterwegs gewesen und als einziger überhaupt angekommen. Später wurde er für seine Pioniertat geadelt. Ein halbes Jahrhundert später sollten seine Nachfolger weder elektronische Hilfsmittel benutzen, noch die Reise auf Booten bewältigen, die nach 1988 gebaut worden waren. Das reizte Van den Heede, den früheren Segelprofi und mittlerweile pensionierten Mathematiklehrer. Die Beschränkung auf klassische Navigationsinstrumente wie Sextant und Chronometer, der Verzicht auf moderne Kommunikationsmittel und die Idee, eine epische Reise nur der Reise wegen zu unternehmen, entspricht seinem stoischen Gemüt.

Alt und erschöpft, aber glücklich: Jean-Luc Van den Heede am Dienstag in Les Sables d'Olonne nach 211 Tagen auf See.

© Sebastien Salom Gomis/AFP

Da das Teilnehmerfeld nur mit einem Tracking-Signal ausgerüstet war und Botschaften allenfalls in Form telegrafischer Text-Messages absetzen durfte, fand das Golden Globe 2018 abseits der sozialen Medien statt. Was die Einhandsegler erlebten, teilten sie kaum mit. Es sei denn, sie gerieten in Schwierigkeiten. Für diesen Fall waren Satellitentelefon und GPS-Gerät in einer verplombten Box an Bord.

Die Hälfte der Teilnehmer machte ziemlich schnell Gebrauch davon. Sei es, dass sie die Einsamkeit plagte, oder dass sie technische Probleme nicht in den Griff bekamen. Jedenfalls gelangten sieben von ihnen nicht über den Atlantik hinaus, und als die Strecke in Tasmanien zur Hälfte bewältigt war, hatte sich das Feld in den schweren Stürmen des Südozeans auf sechs Segler und eine Seglerin minimiert.

Im Pazifik wurde Van den Heedes Boot auf die Seite geworfen

Jean-Luc Van den Heede segelte scheinbar ohne Probleme voraus. Sein einziger ernsthafter Konkurrent, der Franzose Philippe Peché, war mit einem Schaden an seiner mechanischen Selbststeueranlage nach Kapstadt abgedreht. Schon bald hatte Van den Heede über tausend Meilen zwischen sich und die nächsten Verfolger gelegt. Doch dann ereilte auch ihn das Schicksal. Im Pazifik wurde sein Boot von einer rollenden See so heftig auf die Seite geworfen, dass der Mast ins Wasser tauchte. Als sich das Boot wieder aufrichtete, schlackerte der Mast „wie ein Spagetti“, erzählt Van den Heede bei seiner Ankunft. Er dachte zu diesem Zeitpunkt, das Rennen sei gelaufen, öffnete die Notfallbox, um seine Frau anzurufen.

Sieben Monate war Jean-Luc Van den Heede allein unterwegs, mit der Außenwelt hatte er kaum Kontakt und navigierte nach den Gestirnen.

© PPL

Dann machte er sich an die Reparatur des Masts, um wenigstens nach Chile zu gelangen. Er baute aus Leinen ein neues Unterwant und die Konstruktion war so gut, dass er das Rennen fortsetzen konnte. Zwar war er nun weniger schnell, aber der Vorsprung von 2000 Meilen reichte vorerst.

Ab Kap Hoorn entwickelte sich ein spannender Zweikampf

Erst ab Kap Hoorn entwickelte sich ein spannender Zweikampf zwischen dem Ozeanveteranen und dem 41-jährigen Niederländer Mark Slats, der mit demselben Bootstyp unterwegs ist, einer Rustler 36. Damit holte der jeden Tag ein bisschen auf, kam zuletzt auf wenige hundert Meilen heran. Doch Van den Heede wusste die Winterstürme auf dem Atlantik zu seinem Vorteil zu nutzen. Sogar die Zeitstrafe von 12 Stunden wegen unerlaubter Satellitenkommunikation brachte seinen Triumph nicht in Gefahr. Schließlich lief Slats vor dem nächsten herannahenden Sturm Richtung Spanien ab, um dort Schutz zu suchen.

Mehrere tausend Menschen säumen am Dienstagvormittag die Hafenmole von Les Sables d'Olonne, wo Van den Heede lebt. Er hat in den vielen Tagen kaum etwas anderes gesehen als das Meer. Einmal, in Tasmanien, sprach er mit Journalisten, die zu ihm hinausfuhren. Dann kam später die Copacabana kurz in Sicht. „Es ist vor allem eine Frage der Moral“, sagt er am Steg. „Man hält sich an eine gewisse Routine“, mehr sei darüber nicht zu sagen. „Nicht sehr verschieden von einem Tagesablauf wie dem Ihrigen.“

Von derselben Art. Jean-Luc Van den Heede (links) wird nach seiner Ankunft in Les Sables d'Olonne von Sir Robin Knox-Johnston (rechts) in Empfang genommen. Der hatte vor 50 Jahren noch hundert Tage mehr für seine Weltumsegelung benötigt.

© John Bishop / PPL / GGR

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