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© dpa

Scheidung: Berlusconi geht zu weit

Veronica Lario will sich scheiden lassen – von ihrem Mann Silvio Berlusconi, dem italienischen Regierungschef. Lario gefällt seine Politik nicht. Doch das ist nur einer der Gründe für die geplante Trennung.

Mit gut 72 Jahren ist Silvio Berlusconi auf dem Gipfel seiner Macht angekommen. Eine Opposition hat er nicht mehr, und das menschennahe Auftreten gegenüber den Bebenopfern in den Abruzzen hat ihm eine Popularität beschert, wie sie in Italiens Politik noch nie gesehen worden ist: An die 70 Prozent der Wähler, so neueste Umfragen, vertrauen Berlusconi; er selbst spricht von 75,1 Prozent und setzt selbstbewusst oben drauf, er liege damit „16 Punkte über Barack Obama“.

Genau jetzt bricht die Fassade des häuslichen Friedens weg. Veronica Lario, Berlusconis Ehefrau seit 1990, will sich scheiden lassen. „Ich bin dazu gezwungen“, sagt die 52-Jährige der Zeitung „La Stampa“. Und die „Repubblica“ zitiert sie mit dem Satz: „Ich kann nicht bei einem Mann bleiben, der Umgang hat mit minderjährigen Mädchen.“ Nun sind, gerade was derart pikante Fälle betrifft, in Italiens Zeitungen viele erfundene – oder „nachempfundene“ – Zitate im Umlauf; am Sonntag Vormittag indes hat Berlusconis Ehefrau der Nachrichtenagentur Ansa persönlich bestätigt, dass sie einen Scheidungsanwalt eingeschaltet hat. Nur Minuten später wurde Silvio Berlusconi auf einem Flug von Rom ins heimische Mailand gesichtet.

Veronicas Zorn hat eine lange Vorgeschichte; am Dienstag vergangener Woche platzte ihr der Kragen. Da rügte sie in einem offenen Brief, dass die Partei ihres Mannes etliche TV-Schönheiten und leichte Showgirls für die Europawahl nominieren wollte, einzig ihrer „weiblichen Kurven“ wegen. So etwas, schrieb Lario, sei „schamloser Unrat im Namen der politischen Macht“. Was das Fass aber tatsächlich zum Überlaufen gebracht hat, das war Berlusconis seltsame Affäre in Neapel. Mitten in der Nacht war er dort bei der Geburtstagsparty einer langmähnigen, blonden 18-Jährigen aufgetaucht und hatte ihr eine goldene Halskette mit Brillanten geschenkt. Die vordem Unbekannte, so stellte sich heraus, redet Berlusconi mit „Papi“ an, tut das nach eigenem Bekunden schon seit Jahren und hat den Regierungschef schon bisher, „weil der Arme ja so viel zu tun hat und nicht immer nach Neapel kommen kann, oft in Mailand und Rom getroffen“.

Den letzten offenen Brief hatte Veronica Lario vor zwei Jahren geschrieben. Darin verlangte sie – „was ich auf privatem Wege nie bekommen habe“ – eine öffentliche Entschuldigung für dessen Frauengeschichten. Anlass waren damals die recht freizügigen Komplimente Berlusconis an diverse junge Fernsehschönheiten, darunter an die Miss-Italia-Kandidatin Mara Carfagna, die dann ein gutes Jahr später zur Ministerin für die Gleichstellung von Frauen aufstieg.

Damals erhielt Lario die Entschuldigung; diesmal aber passierte genau das Gegenteil: Auf den Internetseiten von Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“ wurden zahlreiche „Zuschriften“ veröffentlicht, in denen Lario beschuldigt wird, das „Image Silvios“ zu beschädigen. Und eine von Berlusconis Tageszeitungen gab sie praktisch zum Abschuss frei: der „Libero“ hielt Lario, die nie politische Ambitionen erkennen ließ, vor, sie vergesse, dass sie selbst eines dieser leichtbekleideten Showgirls gewesen sei. Als Beweis druckte die Zeitung – oben auf der Titelseite! – drei Fotos, die Veronica Lario oben ohne zeigten. Die Bilder sind echt. Miriam Bartolini aus Bologna, die sich den Künstlernamen Veronica Lario zulegte, war früher Theater- und Filmschauspielerin, galt ihrer Formen wegen als eine Art „mediterrane Anita Ekberg“, und die Busen-Szene gehörte zu dem Stück „Der Gewaltige Hahnrei“, einer Komödie des belgischen Autors Fernand Crommelynck.

Das Pikante daran: Just bei dieser Darbietung saß 1980 der damalige Mailänder Baulöwe Silvio Berlusconi unter den Zuschauern. Gleich nach dem Schlussapplaus stürmte er in die Kulisse und machte der Hauptdarstellerin Lario seine berühmten Komplimente. Seit damals sind die beiden liiert – auch wenn Berlusconi danach noch zehn Jahre bis zur Scheidung von seiner ersten Frau brauchte.

Veronica Lario hat sich nie gescheut zuzugeben, dass sie politisch anders denkt als Berlusconi, ihre Richtung ist eher rot-grün. Aber ihre öffentlichen Auftritte waren selten; sie zog es vor, für die drei gemeinsamen Kinder – heute 20, 22 und 24 Jahre alt – die stille Mutter und Erzieherin zu sein, zwar weich gebettet in das Milliardenvermögen ihres Mannes, aber zunehmend vereinsamt in der Mailänder Prachtvilla Macherio. „Zu den achtzehnten Geburtstagen seiner eigenen Kinder“, notierte sie bitter angesichts des neapolitanischen Partybesuchs, „ist er trotz Einladung nie gekommen“.

„Die öffentliche Dimension meines Mannes“, so schrieb Lario im ersten offenen Brief 2007, „hat mich dazu gebracht, meine eigenen Wünsche, wo nötig, zurückzufahren“. Und einem „öffentlichen Ehestreit, selbst da, wo sein Verhalten die Voraussetzungen dafür geschaffen hat“, wollte sie „nie Raum geben“. Die Grenze sah Lario jedoch da überschritten, wo „meine Würde als Frau und als Beispiel für die eigenen Kinder“ verletzt würde. Das ist nun wohl endgültig geschehen.

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