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Therapeut Philippe Dayan (Frédéric Pierrot, vorne Mitte) mit seinen Klienten und der neuen Supervisorin Claire (Charlotte Gainsbourg, vorne links).

© Arte

Wieder da: „In Therapie“: Mit Arte die Seele heilen

Die neue Staffel der Erfolgsserie „In Therapie“ dreht sich um ein Trauma unserer Zeit. Und stellt denjenigen in Frage, der eigentlich kurieren soll.

Der Krieg in der Ukraine mit seinen unfassbar tragischen Ausmaßen, die nicht enden wollende Corona-Pandemie, davor die Terroranschläge in Europa, unter anderem der auf die Pariser Konzerthalle Bataclan 2015 mit mindestens 89 Toten – die Gefühle der Angst, des Chaos, des Nichtverstehens werden zum ständigen Begleiter. Und dann kommt die TV-Serie „In Therapie“ daher und legt mal die Hand auf?

Ganz so einfach ist es nicht mit dem Psychoanalytiker Philippe Dayan in seiner Pariser Praxis. Der hat privat genug mit Chaos, Angst und Nichtverstehen zu tun, um die Geschichten seiner Klienten an sich ranzulassen. Wie das alles zusammen- und (meistens) zu einem besseren Ende geführt wird, macht die zweite Staffel „In Therapie“ zur Serienempfehlung dieser Tage und Wochen.

Mai 2020. Über vier Jahre sind vergangen seit den Anschlägen in Paris und dem Tod von Adel Chibane, einem der Patienten Dayans; ein Soldat, der sich am Ende der ersten Staffel sozusagen das Leben genommen hat, als er sich einem Harakiri-Einsatz in Syrien anschloss. Covid- 19 hat die Welt grundlegend verändert. Therapeut Philippe ist geschieden und angeklagt in einem Prozess, der seine Rolle hinsichtlich des Todes von Adel klären soll.

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Sein Anwalt stellt ihm eine neue Partnerin der Kanzlei vor, Inès Dialo, die als Jugendliche Philippes Patientin war – und nun wieder ist. Während der Vorbereitungen auf die Anhörung wird klar, dass Philippe nicht umhinkommen wird, sein Privatleben und Beziehungen zu seinen Klienten preiszugeben.

Es braucht wieder etwas Zeit, um sich auf die 35 Folgen à 20, 25 Minuten mit den vier verschiedenen ProtagonistInnen und Lebensgeschichten einzulassen. Das Serienkonzept ist geblieben und tut alleine schon wegen seiner festen und wiederkehrenden Struktur (Stichwort Chaos) so gut. („In Therapie“, 35 Folgen in der Arte-Mediathek)

Jedem Patienten, jeder Patientin wird ein Wochentag und eine Zeit zugeordnet, am Freitag geht Dayan dann selbst zur Supervisorin Claire (Charlotte Gainsbourg). Kammerspielartiges Fernsehen, das über kurz oder lang einen Sog entfaltet, dem man sich kaum entziehen kann.

Selbstmord einer Angestellten im Homeoffice

Was auch an Frédéric Pierrot (Dayan) liegt, in dessen liebenswürdigem, vertrauensseligem, immer etwas verloren wirkendem Gesicht sich in den vergangenen Jahren noch ein paar Falten mehr eingegraben haben. Als ob in jeder von ihnen die Lebensgeschichten der Gegenüber auf der Couch verborgen ist.

Da ist ebenjene Anwältin Inès Dialo, 40, die an ihrer Kinderlosigkeit leidet und der Unfähigkeit, sich zu binden. Oder der übergewichtige Teenager Robin, die Trennung seiner Eltern und die plötzliche Weigerung, zu essen. Er wohnt bei seiner Mutter, beide verbringen viel Zeit vor dem Computer und wenn Zeit wäre, seinen Vater zu besuchen, hemmen ihn seine Ängste vor dem Coronavirus.

Dann der Geschäftsmann Alain, bei dem sich während des Lockdowns eine seiner Angestellten im Homeoffice das Leben genommen hat. Er und seine Firma sind massiver Kritik ausgesetzt. Schließlich die 22-jährige Architekturstudentin Lydia, die wegen einer Covid-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wo man ihr überraschend noch eine andere, viel folgenreichere Diagnose stellte ...

Sie alle haben wegen der Pandemie mehr oder weniger mit massiven Einschränkungen des Alltagslebens zu tun. Wie kann Dayan ihnen helfen? Wie kommt er seinen Klienten bei, und was macht diese Arbeit mit ihm, dem Psychoanalytiker, der sich außer der Supervisorin kaum jemandem anvertrauen kann und eben heftiger Anschuldigungen wegen Adels Tod erwehren muss? Damit steht auch sein Beruf auf dem Spiel. Immer mehr bahnt sich ein erbitterter Streit an: über die Verantwortung, Pflichten und Möglichkeiten eines Therapeuten.

Der Aufruhr außen und das scheinbar unendliche, stoische Zuhören. Das Private und das Berufliche, die kleine und die große Welt. Dayan will alles zusammenhalten.

Zu warten, ob und wie der Therapeut seine Fassung bewahrt, inszeniert von Éric Toledano und Olivier Nakache („Ziemlich beste Freunde“) – alleine das lohnt das Streamen einer der mit 54 Millionen Klicks in der Mediathek erfolgreichsten Arte-Serien aller Zeiten. Bestes Bingewatching, gut für die Seele.

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