zum Hauptinhalt

Fernsehen: Der Mörder ist immer der Raucher

Das Fernsehen wird zur rauchfreien Zone. Es sei denn, die Zigarette ist dramaturgisch notwendig. Denn böse Menschen greifen in den Drehbüchern immer noch gerne zur Kippe.

Zwischen der Rauchsucht und der Mordlust im deutschen Fernsehen scheint es einen unmittelbaren Zusammenhang zu geben. Böse Menschen, also die, die unter massivem Druck stehen, greifen vor oder nach der Tat gern zur Zigarette. An diesem dramaturgischen Stilmittel soll sich auch in Zeiten des massiv erweiterten Nichtraucherschutzes nichts ändern. Trotzdem muss das Medium jetzt, da das Rauchen in fast allen Bundesländern in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten verboten ist, bei den Serien, Reihen und Fernsehfilmen reagieren. Eine Umfrage unter Sendern und Autoren zeigt, dass das Rauchen wie das Nichtrauchen in diesem Jahr zum Thema wird, weil es, wie ZDF-Sprecher Walter Kehr sagt, „ein gesellschaftliches Thema“ ist und „die Fiktion, wenn sie glaubwürdig sein will, die Wirklichkeit abbilden muss“.

Die Kreativen stehen nicht erst seit Jahresbeginn vor der Frage, wie sie rauchende Figuren sinnfällig platzieren. Je mehr Rauchszenen Kinder und Jugendliche in Filmen sehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst zur Zigarette greifen. Das belegt eine vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene Studie, die im Sommer 2007 veröffentlicht wurde. Danach haben Kinder und Jugendliche ein doppelt so hohes Risiko mit dem Rauchen zu beginnen, wenn in den von ihnen gesehenen Filmen häufig geraucht wird. Besonders rauchende Stars seien ein Vorbild, Kinder und Jugendliche würden von ihnen Rauchen als attraktives Rollenmodell übernehmen. Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, fordert deshalb, dass in Fernsehen und Kino deutlich weniger geraucht wird.

Sender, Drehbuchautoren und Regisseure begeben sich auf eine schwierige Gratwanderung: Einerseits dürfen sie nicht die Wirklichkeit verfälschen, etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland rauchen. Andererseits dürfen sie aber auch keine falschen Vorbilder schaffen. Drehbuchautor Benedikt Röskau weiß, wie groß diese Herausforderung ist. Er schrieb das Buch zum ARD-Film „Contergan“, der in den 60er Jahren spielt. „Damals haben die Leute geraucht wie die Schlote“, sagt Röskau. Im Film „Contergan“ wird dagegen eher selten geraucht. „Das stand in keinem Verhältnis zur damaligen Wirklichkeit. Aber wenn ich ein Drehbuch schreibe, bin ich mir meiner Verantwortung bewusst“, sagt Röskau. Er habe deshalb auch auf Bitten des verantwortlichen Senders WDR den Zigarettenkonsum der Filmcharaktere reduziert. Zurzeit arbeitet Röskau an einem Drehbuch über das Leben von Romy Schneider. „Sie hat viel geraucht. Würde ich das negieren, würde ich glatt Geschichtsklitterung betreiben“, sagt Röskau.

Die Zigarette als dramaturgische Notwendigkeit – das gilt auch für das ZDF-Drama „Mogadischu“, das die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ im Herbst 1977 schildert und im Frühjahr 2008 im TV zu sehen sein soll. Christian Berkel spielt darin den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, der für seinen enormen Konsum von Menthol-Zigaretten bekannt ist. Deshalb wurde auch Berkel vor der Kamera zum Kettenraucher – ein nicht rauchender Schmidt wäre schlichtweg nicht glaubwürdig gewesen.

Bis sich der weitergetriebene Nichtraucherschutz auch in Filmen ohne historischen Hintergrund wiederfindet, wird es nach Röskaus Ansicht noch bis zu zwei Jahre dauern. Denn die jetzt anlaufenden Filme sind noch unter den Bedingungen des alten Gesetzes geschrieben und gedreht worden.

Anders hingegen bei Serien und Daily Soaps, die eine kürzere Vorlaufzeit haben. „In unseren eigenproduzierten Filmen und Serien wird bald ebenfalls nicht mehr in Gaststätten und öffentlichen Gebäuden geraucht“, sagt Christoph Körfer, Leiter Programmkommunikation bei ProSieben. Bereits fertige Drehbücher würden allerdings ebenso wenig umgeschrieben wie Rauchszenen aus alten Filmen herausgeschnitten. Das gilt auch für RTL. „In unseren Soaps wird generell fast kaum geraucht“, sagt Christiane Ghosh, Bereichsleitung Soap. Wenn, dann dürften nur böse Charaktere zur Zigarette greifen – genau wie im Programm des Ersten. Auch hier sollen die neuen Regeln fürs Rauchen in Serien wie „Tatort“ und „Verbotene Lieben“ Einzug halten. Ein generelles Rauchverbot wird es für die ARD-Sender aber nicht geben. „Das wäre ein Eingriff in die künstlerische Freiheit“, sagt Bernhard Möllmann, Sprecher der ARD-Programmdirektion. Rauchende Menschen würden schließlich zur Gesellschaft gehören. „Und das Fernsehen ist kein Abgewöhnungs- oder Erziehungsinstrument“, betont Möllmann. Doch der Sender sei sich seiner Verantwortung für Kinder und Jugendliche bewusst. So sei das Kinderprogramm komplett rauchfrei. Die Vorabendserie „Marienhof“ und die Telenovela „Sturm der Liebe“ ebenfalls. Beide Produktionen wurden mit dem „Rauchfrei Siegel“ der Deutschen Krebshilfe und des Aktionsbündnisses „Nichtrauchen“ ausgezeichnet.

Dieses Prüfsiegel wird die N-24-Talkshow „Links-Rechts“ nie bekommen und nie bekommen wollen. „Links-Rechts“ wird moderiert von Hajo Schumacher und Hans-Hermann Tiedje. Tiedje zündet sich in der Sendung gerne und mit Genuss eine Zigarre an. Er sagt: „Ich rauche weiter.“ Am 9. Januar ist Justizministerin Brigitte Zypries zu Gast. „Sie ist herzlich eingeladen zu rauchen.“ Die CDU-Politiker Günther Oettinger und Jörg Schönbohm ließen sich von Tiedje nicht lange bitten. Alkohol wird bei „Links-Rechts“ ebenfalls konsumiert. Aber das ist ein anderes Thema.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false