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ZDF-Komödie: Böser guter Nachbar

„Der Stinkstiefel“ mit Leonard Lansink ist zugleich einer der letzten Filme mit Barbara Rudnik.

Felix, „der Glückliche“ also, macht seinem Namen leider keine Ehre. Er ist ein Griesgram mit heruntergezogenen Mundwinkeln, der jeden anblafft, der ihm in die Quere kommt. Und das sind gleich in den ersten Minuten des ZDF-Fernsehfilms „Der Stinkstiefel“ ein armer Tropf von Essensbote, ein bedauernswerter Klempner und die halbe Nachbarschaft. Warum er denn eigentlich nicht ausziehe, will die alleinerziehende Marie (Proschat Madani) wissen. „Glauben Sie etwa im Ernst, ich könnte meine Wohnung zu einem angemessenen Preis verkaufen, mit Leuten wie Ihnen als Nachbarn?“, schnauzt Felix zurück.

Leonard Lansink, schon als Münsteraner Privatdetektiv Wilsberg ein eher mürrischer Zeitgenosse, darf in dieser leidlich amüsanten Komödie von Stefan Rogall (Buch) und Thomas Nennstiel (Regie) schön vom Leder ziehen. Den rücksichtslosen Muffelkopp nimmt man ihm mühelos ab, die obligatorische Wende zum sozial verträglichen Zeitgenossen, der sogar der Liebe eine neue Chance gibt, spielt er so unterkühlt und lakonisch, dass der melodramatische Wohlfühl-Schluss erträglich wird.

Der „böse Nachbar“ ist eine klassische Rolle, ein unsympathischer Einzelgänger, der vor sich selbst gerettet werden muss. Von Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“ bis James L. Brooks’ Hollywood-Komödie „Besser geht’s nicht“: Immer liegt solchen Erzählungen die menschenfreundliche Idee zugrunde, dass die Rüpeleien nur Fassade sind und es sich bei den Hauptpersonen im Grunde um Zeitgenossen handelt, deren Herzensgüte aus irgendwelchen Gründen verschüttet ist. Und weil man das Happy End schon mit der ersten Szene kommen sieht, kann man umso erleichterter die unkorrekten Ausfälle des Protagonisten genießen. Aber konsequent unkorrekt darf es auch wieder nicht zugehen. Das Milieu ist kleinbürgerlich, da mag auch ein „Stinkstiefel“ keine Hausverwalter mit Blockwart-Mentalität und Skinheads in Bomberjacken. Sicher ist sicher, in der Primetime will man schließlich mehrheitsfähig bleiben.

Am liebsten zieht sich Felix mit einem Glas Wein in der Hand und Kopfhörern auf den Ohren in die Welt des Jazz zurück. Doch mit der Ruhe ist es erst einmal vorbei, weil Wasser von der Decke tropft und der Schaden in Maries Wohnung zu finden ist. Dort entpuppt sich Maries Tochter Amelie als schlagfertige, seelenverwandte Gegnerin. Josefine Preuß („Türkisch für Anfänger“) muss auch hier einen kessen Teenager geben, der wieder den engagierten Lehrer in Felix weckt. „Das fehlt Ihnen wohl: Klugscheißen vor Minderjährigen“, sagt sie. Tatsächlich genügt etwas Entschlossenheit von Felix, und schon arbeitet sich die sonst so kratzbürstige, in Wahrheit aber hochbegabte Amelie durch einen Stapel Bücher.

Was bleibt also außer einigen fetzigen Dialogen, der angenehmen Lakonie von Lansink und einer hübschen Szene auf dem Hausdach, in der Felix auf eigenwillige Weise einen Selbstmordkandidaten traktiert? Vor allem der kurze Auftritt von Barbara Rudnik. „Der Stinkstiefel“ ist einer der letzten Filme, in denen sie mitwirkte. Er wurde im Februar und März 2009 in Berlin gedreht, anschließend stand sie noch bei den Dreharbeiten zu Markus Imbodens „Mörder auf Amrum“ (im Januar 2010 im ZDF) vor der Kamera. Am 23. Mai starb Barbara Rudnik im Alter von 50 Jahren an Krebs. Im „Stinkstiefel“ spielt sie Felix’ Ex-Frau Paula. Nachdem sie auf einem Schulhof zu sehen war, trifft sie Felix auf einem Friedhof. Die Szene wirkt wie ein Vermächtnis von Barbara Rudnik. „Gib dich nicht auf, Felix. Kämpf um das, was dir wichtig ist“, sagt Paula – und tritt ab. Ein ungewöhnlicher Abschied einer großen Schauspielerin von ihrem Publikum. Thomas Gehringer

„Der Stinkstiefel“, ZDF, 20 Uhr 15

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