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Der Jugendclub Horn in Berlin muss wohl schließen.

© SozDia Stiftung

Update

Träger beklagt mangelnde Finanzierung: Drei Jugendclubs in Berlin müssen schließen

Das Geld von den Bezirken reiche nicht aus, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, beklagt der Träger. Drei große Clubs für Jugendliche fallen weg – womöglich noch mehr.

| Update:

Drei große Jugendclubs in Berlin müssen schließen. Das teilte der Träger, die Sozdia-Stiftung Berlin, in einer Mitteilung am Donnerstag mit. Die bezirklichen Förderungen würden nicht länger ausreichen, um die Einrichtungen „Das Horn“ in Treptow-Köpenick sowie „Die Linse“ und „Phönix“ in Lichtenberg länger am Leben zu erhalten.

Die Clubs haben seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle gespielt bei der Unterstützung von Jugendlichen in Berlin, waren und sind für viele von ihnen ein sicherer Hafen und ein Ort der Gemeinschaft.

„Es ist eine traurige Nachricht für uns alle, dass wir diese Arbeit an den genannten Orten nicht weiter ausführen können“, sagt Michael Heinisch-Kirch, Vorstandsvorsitzender der Sozdia-Stiftung Berlin. „Wir haben keine andere Chance, als unsere Mittel auf unsere sechs verbleibenden Jugendklubs zu konzentrieren.“

105
Millionen Euro stehen den Berliner Bezirken insgesamt für die Jugendarbeit zur Verfügung.

Die Stiftung spricht von einer „unzureichenden Finanzierung seitens der Bezirke“ und einer „fehlenden Priorisierung der Jugendarbeit“. Das Jugendfördergesetz der vorletzten Berliner Regierungskoalition sei zwar ein riesiger Schritt in die richtige Richtung gewesen, „letztendlich wurde und wird jedoch nicht annähernd genug Geld bereitgestellt“, heißt es seitens der Stiftung.

Senatsverwaltung widerspricht: Bezirke bekamen fünf Millionen Euro

Bei der Senatsjugendverwaltung sieht man das anders. Das Land Berlin habe mit dem Jugendfördergesetz den Bezirken insgesamt 20 Millionen Euro mehr Mittel für die Jugendarbeit zur Verfügung gestellt.

Zusätzlich wurden ebenfalls an die Bezirke noch einmal 5 Millionen Euro gesamtstädtische Mittel ausgereicht, also insgesamt 25 Millionen Euro mehr Mittel für die Jugendarbeit in Berlin pro Haushaltsjahr seit 2020. Von einer unzureichenden Finanzierung könne keine Rede sein, teilt die Senatsverwaltung auf Anfrage des Tagesspiegels mit.

Den Bezirken stehen insgesamt 105 Millionen Euro für Jugendarbeit zur Verfügung, zusätzlich fördert die Senatsverwaltung noch einmal große gesamtstädtische Jugendprojekte wie das FEZ, die Schlesische Straße, den Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi auf dem Tempelhofer Feld und weitere.

Laut Senatsverwaltung plant die Sozdia-Stiftung einen der Jugendclubs zu schließen, um dort Angebote für unbegleitete minderjährige Geflüchtete anzubieten. Dies rentiert sich wohl mehr als ein Jugendclub. Sozdia sagte dazu, es gebe noch keine spruchreifen Pläne für „Phoenix“, aber man werde das Haus gemäß der Stiftungssatzung wieder für Kinder oder Jugendliche zur Verfügung stellen.

Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, was wir damit aufs Spiel setzen, wenn wir Jugendarbeit schleichend herunterfahren.

Michael Heinisch-Kirch, Vorstandsvorsitzender der Sozdia-Stiftung Berlin

Der Jugendclub „Die Linse“ befindet sich auf dem Hof des Kinder- und Jugendtheaters an der Parkaue. Laut Sozdia hat das Theater den Zugang zum Jugendclub über das Grundstück des Theaters verwehrt, sodass die Jugendlichen über einen schmalen Steg auf dem anliegenden Bahngelände in ihren Club gelangen. Nun habe das Theater Baumaßnahmen für drei Jahre angekündigt, ab spätestens Januar 2024 sei der Zugang zum Club dann unmöglich.

Der Bezirk Lichtenberg bedauert die Entscheidung der Sozdia-Stiftung, zwei Jugendclubs im Bezirk schließen zu wollen. Insgesamt gibt es 43 Einrichtungen der Jugendförderung in Lichtenberg.

„Jugendarbeit ist ein wichtiger Beitrag für eine funktionierende Gesellschaft“, sagt Camilla Schuler (Linke), Bezirksstadträtin für Familien, Jugend und Gesundheit. Es gehe nur in Zusammenarbeit zwischen Bezirken und dem Senat.

43
Einrichtungen der Jugendförderung gibt es im Bezirk Lichtenberg.

Die Kosten für Jugendclubs seien enorm gestiegen, schreibt die Sozdia-Stiftung: Inflation, Personalkosten sowie Energie- und Lebensmittelkostenteuerung. Zudem gebe es einen zunehmenden Mangel an öffentlichen Räumen. Jugendclubs seien nur durch Eigenmittel möglich, teilt die Sozdia-Stiftung weiter mit.

Allein in Treptow-Köpenick habe man zum Beispiel mehr als eine Million Euro zusätzliche außerbezirkliche Mittel für die Standorte akquirieren oder aus Eigenmitteln aufbringen müssen, damit die Jugendarbeit entsprechend professionell aufgestellt werden kann. Dies könne nicht länger aufrechterhalten werden.

Stiftung benötigt fast doppelt so viel Geld, um Jugendclub zu erhalten

Dem Jugendclub Horn stünden für 2023 120.000 Euro zur Verfügung. Der vorgeschriebene Personalschlüssel an pädagogischem Fachpersonal verlange bereits Personalkosten in Höhe von 130.000 Euro. Zusätzliche Fixkosten für Strom, Instandhaltung, Lebensmittel und Nebenkosten sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Der Jugendclub „Phönix“ in Lichtenberg muss schließen.

© SozDia

Sozdia schätzt die Kosten, um einen Jugendclub wie „Das Horn“ weiter betreiben zu können, auf 240.000 Euro. Zwei Mitarbeiter:innenstellen seien für die Aufgaben und Ziele nicht ausreichend. Ein:e Sozialarbeiter:in im Dienst des Landes Berlin verursache durchschnittliche Personalkosten von rund 65.000 Euro, ein:e Erzieher:in ca. 59.000 Euro.

Man habe sich auf Bitten des Jugendamtes darauf eingelassen, „Das Horn“ noch bis zum 30. Juni geöffnet zu lassen, hatte Heinisch-Kirch in einem öffentlichen Brief im Januar geschrieben. Der Bezirk Treptow-Köpenick sucht nach einem Träger für den Weiterbetrieb.

Sozdia kündigt weitere Schließungen von Jugendclubs in Berlin an

Die Sozdia-Stiftung kündigt weitere Schließungen an, wenn sich nicht schnell und unbürokratisch um Lösungen in der Politik bemüht werde. „Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, was wir damit aufs Spiel setzen, wenn wir Jugendarbeit schleichend herunterfahren. Die Jugendlichen brauchen nach Corona und in unserer demokratischen Stadtgesellschaft viel mehr solcher Räume“, sagt Heinisch-Kirch.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte im Januar angekündigt, zusätzlich 90 Millionen Euro bereitzustellen, um Gewalt von Jugendlichen in Zukunft einzudämmen. Die Maßnahmen umfassen unter anderem Sonderprogramme für Jugendsozialarbeit, Familienberatungsstellen und Gewaltpräventionsangebote.

Jede dieser Maßnahmen wird von der Sozdia-Stiftung begrüßt, Heinisch-Kirch betont jedoch: „Das Grundproblem der unzureichenden Finanzierung von Jugendeinrichtungen wird durch das Geld nicht gelöst, da es für Sonderprogramme vorgesehen ist. Wo sollen die Sonderprogramme denn umgesetzt werden, wenn die Jugendclubs, in denen sie realisiert werden könnten, in ihrer Existenz bedroht sind?“

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