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Amoklauf: Staatsanwaltschaft fordert lange Haftstrafe

Im Prozess um den Amoklauf am Berliner Hauptbahnhof hat ein Gutachter dem heute 17-Jährigen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt. Die Staatsanwaltschaft forderte siebeneinhalb Jahre Haft.

Berlin - Im nichtöffentlichen Prozess vor dem Berliner Landgericht ging der Staatsanwalt in seinem Plädoyer von versuchtem Totschlag in 33 Fällen und Körperverletzung aus. Die Verteidigung beantragte eine Strafe wegen versuchten Totschlags von "nicht mehr als sechs Jahren". Nach Angaben des Verteidigers entschuldigte sich der Jugendliche in seinem Schlusswort "bei allen Tatopfern und ihren Angehörigen".

Die Anklage war noch von versuchtem Mord in 37 Fällen und sechsfacher Körperverletzung ausgegangen. Staatsanwalt und Verteidiger folgten somit einem Gutachten, wonach zugunsten des Schülers angenommen werden müsse, dass er sich keine Gedanken gemacht habe, die "Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer" auszunutzen, sagte Nebenklägeranwalt Roland Weber. Damit sei das Mordmerkmal der Heimtücke verneint worden. Die Nebenkläger schlossen sich im Wesentlichen dem Antrag des Staatsanwalts an.

2,2 Promille Alkohol

Ein Gutachter hatte dem Angeklagten zuvor eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch Alkohol bescheinigt. Der damals 16-Jährige hatte demzufolge 2,2 Promille Alkohol im Blut, als er am 26. Mai 2006 nach der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs im Regierungsviertel wahllos um sich gestochen hatte. Dabei hatte er acht Menschen lebensgefährlich verletzt. Zu Prozessbeginn hatte der Schüler angegeben, sich nicht an die Tat erinnern zu können. Nach Angaben von Prozessbeteiligten ist das Motiv der Tat auch weiter "völlig offen". Der Sachverständige sei davon ausgegangen, dass die Alkoholisierung des Schülers Ursache des Amoklaufs war, hieß es. Ein "kompletter Gedächtnisverlust" sei aber nach Ansicht des Experten "eher unwahrscheinlich".

Sowohl Ankläger als auch Verteidiger gingen von einer verminderten Schuldfähigkeit des Jugendlichen aus. Doch der Staatsanwalt lehnte diesbezüglich eine Strafminderung ab, weil der Jugendliche gewusst habe, dass er "unter Alkohol zu Aggressionen neige", hieß es. Wegen "der Schwere der Taten und ihrer Folgen für die Opfer", die zum Teil bis heute leiden und arbeitsunfähig sind, hatte der Staatsanwalt eine Strafmilderung hinsichtlich der versuchten Tötungsdelikte abgelehnt. Sein Mandant sei noch nie unter Alkohol straffällig geworden, betonte dagegen der Verteidiger. Das Urteil wird am Freitag verkündet. (Von Beatrix Boldt, ddp)

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