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Berlin: Schüsse in der Nacht

Wieder wurde ein Bus angegriffen – der 19. Anschlag in diesem Jahr. Bisher hatten Fahrer und Passagiere viel Glück

Steine, Stahlkugeln, Rohrbomben – Berlins Busfahrer müssen auf ihren abendlichen Touren derzeit mit allem rechnen. In der Nacht zu Sonnabend haben die Täter wieder zugeschlagen – diesmal in Tempelhof. Der Bus der Linie 172 hielt gerade an der Marienfelder Allee Ecke Klausenburger Pfad, als der Fahrer und sein einziger Kunde einen lauten Knall hörten. Etwas hatte ein Loch von rund acht Zentimetern Durchmesser in eine Seitenscheibe geschlagen. Womit der Bus beschossen wurde, blieb zunächst rätselhaft. „Das Wurfgeschoss wurde nicht gefunden“, erklärte die Polizei.

Es war der 19. Anschlag auf einen Bus in diesem Jahr. Die 17. Tat hatte die Polizei, wie berichtet, am Freitag klären können: Zwei junge Männer hatten gestanden, eine mit Nägeln gefüllte Rohrbombe auf einen Bus der Linie 147 geworfen zu haben. Er war Freitag vor einer Woche in der Böttgerstraße unterwegs, als die Heranwachsenden die Bombe zündeten. Splitter durchschlugen die Scheibe in Kopfhöhe des Fahrers – er blieb wie die vier Fahrgäste unverletzt.

Es war der erste Fall der Anschlags-Serie, den die Polizei aufklären konnte. Dass bei den Attacken bisher niemand verletzt wurde, erscheint wie ein Wunder. Erst im September war auf dem Wilhelmsruher Damm in Reinickendorf ein BVG-Bus der Linie 122 beschossen worden. Eine Seitenscheibe zersprang. Im Juli wurden innerhalb einer einzigen Nacht sieben Busse beschossen. Im Januar gab es innerhalb von 24 Stunden drei Anschläge. Auf dem Kurfürstendamm schoss ein Unbekannter zwei Mal auf einen voll besetzen Doppeldecker. Die Kugel schlug oberhalb des Fahrers ein. Wenige Stunden später wurde in Tempelhof auf zwei Autos geschossen.

Viele Busfahrer auf den Nachtlinien schicken inzwischen vor Dienstbeginn ein Stoßgebet gen Himmel. Und das liegt nicht nur an den Heckenschützen. „Die Hemmschwelle unter den Fahrgästen ist gesunken, die Aggressivität gestiegen“, heißt es bei der BVG. Die Routen durch Kreuzberg, Gesundbrunnen und alle, die an viel besuchten Diskotheken vorbeiführen, sind gefürchtet. Busfahrer, die versuchen, die zumeist jungen Störenfriede zur Ordnung zu rufen, werden beschimpft, geschlagen oder mit Bierflaschen beworfen. Und manchmal geht es sogar blutig aus. Wie im vergangenen Jahr, als zwei BVG-Kontrolleure von einem Schwarzfahrer mit einem Messer attackiert wurden. Der Täter stach ihnen in Hals und Niere.

Die BVG ist inzwischen dazu übergegangen, ihre 3500 Busfahrer zu schulen. „Krisen- und Konfliktmanagement“ nennt sich das. In den Lehrgängen sollen die Fahrer lernen, die brenzlige Situationen zu erkennen und möglichst schon im Ansatz zu entschärfen. Das Rollenspiel mag die Fahrer auf den Umgang mit den Rüpeln im Oberdeck vorbereiten. Doch die Schüsse aus der Dunkelheit erwischen sie immer wieder kalt.

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