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Berlins Olympia-Bewerbung: Ran an die Bürger!

Was Berlin aus den Olympia-Bewerbungen Münchens lernen kann: Besser als Werbesprüche und läppische Kampagnen funktionieren bei diesem Thema richtige Argumente. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Arno Makowsky

Nun ist die Berliner Olympia-Bewerbung also gerade in die Phase eingetreten, in der lustige Sprüche auf Müllautos die Bürger für die olympische Idee begeistern sollen. Als nächstes, so steht zu befürchten, werden sich Prominente wie Didi Hallervorden nicht mehr damit begnügen, wehrlose U-Bahnstationen anzusagen (so wie im Moment in der Berliner U2), sondern die lieben Mitbürger auffordern, sich doch bitte auf das tolle Großereignis im Jahr 2024 zu freuen. Schließlich, so haben die Initiatoren erkannt, mangelt es den Berlinern bis jetzt eklatant an Begeisterung, und das kann tödlich sein für die Bewerbung.

Was also tun? Es könnte nicht schaden, wenn Michael Müller, Frank Henkel und die anderen Senats-Olympioniken ihren Blick einmal in den Süden der Republik richten würden und sich berichten ließen, wie das mit der Bewerbung in München und den Nachbargemeinden Garmisch und Oberammergau gelaufen ist. Unterm Strich: nicht gut. Zweimal sind die Bayern mit ihrer Kandidatur gescheitert, einmal für die Winterspiele 2018 (die finden jetzt im südkoreanischen Pyeongchang statt), und danach gleich für 2022 (die Entscheidung fällt im Juli zwischen Peking und Almaty in Kasachstan). Und das, obwohl Münchner Promis jeglicher Couleur alles gegeben haben, inklusive leidenschaftlicher Durchsagen in der S-Bahn.

Gerade bei der jüngsten Bewerbung, die bereits in der ersten Phase scheiterte, werteten Kritiker die teils albernen Bemühungen um mehr Begeisterung als kontraproduktiv. Die Menschen, so der Medientenor nach der Pleite, ließen sich eben nur ungern bevormunden. Nicht von Großkonzernen wie BMW oder Allianz, die auf penetrante Art jeden Olympiagegner als Fortschrittsverweigerer hinstellten, und nicht von der Stadt München, die den Wahlunterlagen zum Bürgerentscheid einen Flyer mit Pro-Olympia-Argumenten beilegte und die Gegenpositionen verschwieg.

Eine noch so gut gemeinte Kampagne richtet offenbar nichts aus, wenn das Ereignis noch so weit entfernt ist, dass den Menschen jeglicher emotionale Bezug fehlt. Der „Startschuss“ am Freitag zur Berliner Bewerbung zeigte das sehr schön. Da standen der Regierende und seine Getreuen im Morgengrauen vor ihrem hochoriginellen Motiv – dem beleuchteten Brandenburger Tor –, ohne dass jemand groß Notiz davon genommen hätte.

Auch in Berlin nützt eine lebendige Diskussion der Stadtgesellschaft

Auch wenn es Werbestrategen und PR-Experten kaum glauben wollen: Besser als Werbesprüche funktionieren bei diesem Thema richtige Argumente. Zumal die Olympiagegner jede Menge Fakten in petto haben. In München und Garmisch richtete sich ihr Zorn keineswegs gegen den Sport, sondern gegen Gigantomanie, Geldverschwendung, Zerstörung der Natur und das angeblich korrupte IOC. Solche bedrohlichen Szenarien kommen immer gut an – und sicher nirgends besser als im BER-geschädigten Berlin.
Die Pro-Olympia-Fraktion wäre jedenfalls gut beraten, den Bürgern statt läppischer Kampagnen ein paar überzeugende Argumente anzubieten. In München hat man diese Lektion erst nach der gescheiterten 2018er-Kandidatur auch nur mangelhaft gelernt – nachdem Katarina Witt, das offizielle, aber wenig geliebte „Gesicht der Bewerbung“, nach dem Flop ein paar Tränen verdrückt hatte.

Natürlich ist München, die behäbige alte Residenzstadt, nicht mit Berlin zu vergleichen. In Bayern kann es nicht schaden, die Menschen von Zeit zu Zeit ein wenig zu provozieren, sonst schlafen sie komplett ein. Im quirligen Berlin ist das nicht nötig, aber auch hier nützt eine lebendige Diskussion der Stadtgesellschaft. Wonach sehnen sich die Menschen? Wie soll die Zukunft der Stadt aussehen? Wo steht sie im Vergleich mit anderen Metropolen? Solche Fragen gehören nicht nur in den Senat, sondern auf die Straße. Die Olympiabewerbung kann helfen, sie zu stellen.

Abgesehen davon würde Berlin von einer Kandidatur sogar im Fall eines Misserfolgs ökonomisch profitieren – auch dann, wenn eine andere Stadt den Zuschlag bekommt. In Bayern war damals viel von einer Studie aus Kalifornien die Rede, die herausfand, dass Bieter-Städte mit einem Exportschub von 30 Prozent rechnen können – und mit einem Boom der lokalen Wirtschaft. Natürlich kostet die Bewerbung viel Geld, in München waren es 33 Millionen Euro. Das meiste davon zahlten aber Sponsoren, nur drei Millionen blieben bei der Stadt hängen. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude buchte die Millionen selbstbewusst als „erfolgreiche weltweite Marketingkampagne“ ab.

Auch bei der angeblich hohen Sympathie der Menschen für Olympia wurde kräftig schöngemalt. 80 Prozent der Bürger seien dafür, jubelte Ude. Später stellte sich heraus, dass nur Leute gefragt worden waren, die von sich sagten, sie seien sportbegeistert. Was ungefähr so aussagekräftig ist, wie wenn man von Grünen-Wählern wissen will, ob sie es gut finden, Atomkraftwerke abzuschalten. Zu solchen Tricks würde man in Berlin sicher nicht greifen. Hier pinselt man lieber witzige Sprüche auf Müllfahrzeuge.

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