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Unweit des Bahnhofs Südkreuz baut die Schwulenberatung ein Mehrgenerationenhaus für homo-, bi-, trans-, und intersexuelle Menschen. Teil davon ist eine Kita mit 93 Plätzen. Dagegen protestiert die AfD und will die Eröffnung im Frühjahr verhindern. Mehr als 300 Menschen stellten sich der rechten Partei am Samstag entgegen und demonstrierten für Vielfalt und gegen Hetze. 

© Dominik Mai

Protest gegen rechte Kampagne: AfD demonstriert in Berlin gegen queere Kita – mehr als 300 Menschen stellen sich ihr entgegen

Seit Wochen mobilisieren Rechte gegen ein Projekt der Schwulenberatung in Schöneberg. Am Samstag demonstrierten etwa 50 AfD-Anhänger gegen die geplante Kita.

Hunderte Menschen haben sich am Samstag in Schöneberg einer Kundgebung der rechtspopulistischen AfD und ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ gegen eine geplante Kita entgegengestellt. Der Protest der Rechten richtete sich gegen ein Projekt der Schwulenberatung Berlin. Diese baut derzeit unweit des Bahnhofs Südkreuz eine Kindertagesstätte. 93 Kinder sollen in zwei Gruppen Platz finden, die Eröffnung ist für Frühjahr 2023 geplant.

Die Kita ist Teil des „Lebensortes Vielfalt“, einem Mehrgenerationenhaus für homo-, bi-, trans-, und intersexuelle Menschen. Es beinhaltet unter anderem 69 Wohnungen, ein Café, eine Wohngemeinschaft für pflegebedürftige Menschen und Räume für die Schwulenberatung. Gegen die Kita gibt es seit Wochen eine Kampagne von LGBTI-Gegnern. Rechte Portale und Aktivisten machen vor allem im Internet Stimmung gegen das Projekt. Von „Pädo-Kita“ und „Frühsexualisierung“ ist die Rede.

Was ist passiert? Die „Bild“-Zeitung hatte vor drei Wochen über einen umstrittenen Vorstand der Schwulenberatung berichtet, dem die Verharmlosung von Pädophilie vorgeworfen wird. Der Soziologe Rüdiger Lautmann verfasste 1994 eine Studie mit dem Titel „Die Lust am Kind. Portrait des Pädophilen“. Im RBB wies der 86-Jährige die Pädophilie-Vorwürfe zurück: „Sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen werden nicht und wurden nie von mir bejaht.“

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Nachdem die „Bild“ Lautmann mit dem geplanten Kita-Projekt in Verbindung gebracht hatte, trat er als Vorstand des Trägervereins der Schwulenberatung zurück, „um weiteren Schaden von der Schwulenberatung Berlin und der geplanten Kita abzuwenden“, wie die Organisation mitteilte. Allerdings: Mit der Kita hatte Lautmann nach Angaben der Schwulenberatung eigentlich gar nichts zu tun. „Seiner Funktion entsprechend war er nie mit der inhaltlichen Arbeit der Schwulenberatung Berlin befasst.“

Doch für die AfD und deren Jugendorganisation war der Skandal perfekt: Sie vermischte die Personalie Lautmann und das Kita-Projekt und machte, teils mit Falschbehauptungen, Stimmung gegen das Projekt. Mit einer eigens dafür geschaffenen Webseite und in sozialen Medien trommelte die Junge Alternative für ihre Demonstration, die sich „gegen die Normalisierung von Pädophilie“ und „gegen die Indoktrination in Schulen und Kitas“ richten sollte.

Beatrix von Storch warb für die Demonstration „gegen die irre Pädo-Frühsexualisierungs-Kita“

Auch der geschasste „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt beteiligte sich an der Kampagne und behauptete, ein Kinderschänder-Versteher würde eine Kita eröffnen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, die immer wieder gegen queere Menschen wettert, warb für die Demonstration „gegen die irre Pädo-Frühsexualisierungs-Kita“, wie sie auf Twitter schrieb. Sie war, neben der Berliner AfD-Vorsitzenden Kristin Brinker, eine von etwa 50 Teilnehmern der Kundgebung am Samstag.

Dabei unterscheide sich die geplante Kindertagesstätte wenig von anderen Einrichtungen, sagte Jörg Duden, Abteilungsleiter bei der Schwulenberatung und zuständig für das Projekt, dem Tagesspiegel. Sie würde allen offenstehen. „Wir haben bereits mehr als 80 Anmeldungen, die meisten von Menschen aus dem Kiez“, sagte Duden. Aber auch viele Regenbogenfamilien mit zwei Vätern oder Müttern, die immer wieder Diskriminierung erleben, würden sich für einen Platz interessieren.

Arbeiten sollen hier vorrangig Menschen aus der queeren Community. In der Einrichtung solle Wert darauf gelegt werden, nicht nur heteronormative Rollenbilder zu vermitteln. „Wir wollen auch zeigen, dass es andere Lebensweisen gibt, zum Beispiel Menschen, die gleichgeschlechtlich leben“, sagte Duden. Bei der Auswahl etwa von Kinderbüchern werde darauf geachtet, dass sie diese Vielfalt abbilden.

Es ist toll, dass in der Regenbogen-Hauptstadt Berlin eine solche Kita entsteht.

Helmut Metzner, Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

„Es ist toll, dass in der Regenbogen-Hauptstadt Berlin eine solche Kita entsteht“, sagte Helmut Metzner, Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, am Rande der Gegendemonstration. Den Protest der AfD bezeichnete er als „Echo aus der Vergangenheit“ – die Gesellschaft sei bereits viel weiter als die rechte Partei suggeriere.

Auch Carsten Schatz, Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus, war unter den Teilnehmenden. Es sei gut, dass Berlin für Vielfalt und Offenheit zusammenstehe und der AfD so entschlossen entgegentrete, sagte er. Nach Angaben der Polizei kamen mehr als 300 Menschen zu der Demonstration. „Glitzer statt Glatzen“, „Lebe so, dass die AfD etwas dagegen hätte“ oder „Lieber Vielfalt statt Einfalt“ stand auf ihren Plakaten.

Angemeldet worden war die Kundgebung vom Kreisverband der Grünen Tempelhof-Schöneberg. Es habe sich gezeigt, „dass rechter Hass und queerfeindliche Hetze sowie die Verleumdung der Regenbogen-Kita keinen Platz in Tempelhof Schöneberg haben“, so der Verband.

Mit ihrer queerfeindlichen Hetze greift die AfD und ihre sogenannte Junge Alternative queeres Leben als Ganzes an.

Aus dem Aufruf zur Gegendemonstration

Aufgerufen zu der Demonstration hatten auch zahlreiche queere Organisationen. „Mit ihrer queerfeindlichen Hetze greift die AfD und ihre sogenannte Junge Alternative queeres Leben als Ganzes an. Sie setzen Homosexualität mit Pädophilie gleich, schwadronieren von angeblicher Umerziehung und verbreiten andere gefährliche Lügen“, hieß es in dem Aufruf.

„Das sind widerlichste Schmähungen gegen queere Menschen, die wir aktuell von Rechtsaußen auch immer wieder gegen trans* Menschen erleben müssen.“ Die Rechtspopulisten wollten Vielfalt von queerem Zusammenleben bekämpfen und Menschen einschüchtern. „Dazu nutzen sie einen vermeintlichen Skandal um das großartige Projekt der Regenbogen-Kita der Schwulenberatung Berlin schamlos aus.“ 

Trotz des Protestes, vieler Hassmails und Drohungen will sich die Schwulenberatung nicht einschüchtern lassen und die Kita wie geplant im März eröffnen. Derzeit warte man auf die Betriebserlaubnis. Laut Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie stehe der Eröffnung nichts im Weg.

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