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Prozess: Liebe auf den ersten Klick

Ein Seitensprung brachte Frau in Erklärungsnot und 45-jährigen Betrüger vor Gericht. An die Liebesnacht erinnert sich die Studentin nicht mehr.

Ein Liebes-Abenteuer, ein Seitensprung trotz Verlobung. Alles eingefädelt übers Internet, wo die Studentin an diesen Mann geraten war, der sich als Alexander Graf Carl von H. vorgestellt hatte. Jetzt diese Peinlichkeit. „Wie kamen Sie zum Hotel? Waren Sie bekleidet, als Sie erwachten?“, wollten gestern die Richter wissen. Es ging um die Frage, ob die 26-Jährige mit Drogen betäubt und ausgeraubt wurde. Die Frau zierte sich. Als Zeugin aber musste sie die Wahrheit sagen.

Nicht einen Blick schenkte die Verlobte dem Hochstapler auf der Anklagebank. Der 45-jährige heißt Andre J. und ist einer, der grandiose Geschichten erzählen kann. Mal stellte er sich als Heilpraktiker vor, mal als Mitinhaber eines Nachtklubs, dann gehörte er angeblich einer militärischen Eliteeinheit an. Bei der virtuellen Suche nach einer Sex-Affäre gab er sich als Adliger aus, berichtete von Reichtum und edler Herkunft. „So ein Quatsch“, zischte Nadja K. (Name geändert) als Zeugin. „Mein Ring ist bis heute weg.“ Das 450 Euro teure Stück, das ihr der Mann an den Finger gesteckt hatte, dem sie Treue versprochen hatte. Im letzten August, als sie sich heimlich mit der Internet-Bekanntschaft traf, hetzte sie noch zwischendurch zu ihrem Verlobten. „Ich treffe mich mit Kommilitonen“, sagte sie – und zog dann weiter durch Bars.

Als Nadja K. am nächsten Morgen erwachte, war es sieben Uhr. Sie lag allein im Bett. „Unbekleidet.“ Sie habe die Nacht zuvor viel getrunken und könne sich nicht erinnern, wie intim die Nacht wurde. „Ich habe es verdrängt.“ Sie hätte wohl keine Anzeige erstattet, wenn sie in jener Nacht nicht Ring, Ausweise und Geldkarten eingebüßt hätte.

Der Angeklagte hatte hingegen kein Problem mit Intimitäten. Er sprach von Sex, den beide wollten und auch von einer „Liebesdroge“. „Die hat meine Frau gekauft. Weil ich mittlerweile schwer erregbar bin.“ Eines aber will der falsche Graf nicht auf sich sitzen lassen: „Ich habe der Frau nichts ins Getränk getan.“ Er sei gegen sechs Uhr erwacht. Weil er nach Sex gerne rauche, habe er in die Tasche der jungen Frau gesehen. „Da kam es zu einer Kurzschlusshandlung.“ Den Verlobungsring brachte er ins Leihhaus, mit der Kreditkarte ließ er seine Freundin zwei Handyverträge abschließen.

Andre J. ist seit zwanzig Jahren kriminell. „Er nutzt seine manipulativen Fähigkeiten aus“, sagte der Staatsanwalt. Es waren oft Frauen, die seine Opfer wurden. 16 Einträge weist das Strafregister aus. Im Fall von Nadja K. stand für die Richter fest, dass die Studentin K. bei der Polizei nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. 15 Monate Gefängnis verhängten die Richter gegen den Hochstapler wegen Diebstahls. Und in Düsseldorf ist noch ein Verfahren wegen Vergewaltigung gegen J. anhängig.

Kerstin Gehrke

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