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Der BVV-Saal in Lichtenberg.

© Robert Klages

Nach Sitzungsabbruch in Berlin-Lichtenberg: „Es ist falsch, dass ich wegen Herrn Hönicke in Tränen ausbrach“

Ein Streit mit einer angeblich weinenden Vorsteherin – die den Vorgängen nun widerspricht. Es folgt ein Kampf um Deutungshoheit und eine zerteilte Linksfraktion.

In Berlin-Lichtenberg liegen während des Wahlkampfes die Nerven blank: Nachdem am 26. Januar die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nach einer verbalen Auseinandersetzung abgebrochen worden war, haben sich nun die beiden Beteiligten des Streits in einer gemeinsamen Erklärung öffentlich geäußert: BVV-Vorsteherin Kerstin Zimmer (Linke) und der Stellvertretende Bürgermeister und Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD).

Für den Sitzungsabbruch sei nicht der „kurze verbale Diskurs“ ausschlaggebend gewesen, sondern die „nachfolgende Eskalation durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit von BVV-Mitgliedern“, schreiben Zimmer und Hönicke in der „gemeinsamen öffentlichen Erklärung“, die Hönicke auf Twitter veröffentlichte. Zimmer ist seit dem 26. Januar nicht für Presseanfragen zu erreichen. Die Erklärung wurde bisher nicht über das Bezirksamt Lichtenberg herausgeschickt.

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Inszeniert die Linke mehr als eigentlich vorgefallen war?

Der Linken-Verordnete Antonio Leonhardt hatte den Abbruch der BVV auf Twitter öffentlich gemacht – die Sitzung samt abrupten Ende war aber auch im öffentlichen Livestream zu verfolgen. Mehrere Teilnehmende hatten dem Tagesspiegel beschrieben, dass Hönicke Zimmer angeschrien habe, woraufhin diese weinend den Saal verlassen habe.

Hönicke selbst hatte dies zugegeben und zuletzt ein Statement veröffentlicht, in dem er ankündigte, sich „aktiv einer kritischen Männlichkeit zu überprüfen“. Mehrere Frauen aus verschiedenen Parteien in der BVV sprachen sich für eine gewaltfreie Kommunikation aus und wollen einen Eintrag einbringen, der es Frauen künftig gestatten soll, eine Auszeit zu beantragen.

In der gemeinsamen Erklärung schreibt Zimmer nun, sie sei „zu keiner Zeit von Herrn Hönicke angebrüllt worden“. „Es ist falsch, dass ich wegen Herrn Hönicke in Tränen ausgebrochen bin und den Saal verlassen habe.“ Sie sei aufgrund diverser Ereignisse in den letzten Tagen sehr angespannt gewesen und habe nach dem kurzen Disput lediglich kurz den Saal verlassen wollen.

Es ist falsch, dass ich wegen Herrn Hönicke in Tränen ausgebrochen bin

Kerstin Zimmer (Linke), BVV-Vorsteherin

Der Abbruch der Sitzung sei nicht auf ihren Willen hin geschehen und sie habe sich bereits bei Hönicke entschuldigt. Sie habe auch nie das Gefühl gehabt, dass dieser sie wegen ihres Geschlechts infrage gestellt habe.

Hönicke entschuldigte sich bei Zimmer „für den unsachgemäßen Umgangston“ und dass er zu laut geworden sei. Sein Verhalten sei durch Dritte aufgebauscht worden. So sei Zimmer „gegen ihren Willen in den Fokus der öffentlichen Berichterstattung“ gerückt.

Linke forderte den Rücktritt von Stadtrat Hönicke (SPD)

Zimmers eigene Linksfraktion hatte kurz nach dem BVV-Abbruch eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie den Rücktritt von Hönicke und eine Entschuldigung forderte. Auffällig ist, dass Zimmer in dieser Stellungnahme nicht zu Wort kommt. War sie also nicht eingebunden oder gar dagegen? Inszeniert die Linke hier mehr, als eigentlich vorgefallen war und nutzt den BVV-Abbruch für Wahlkampf und zur Schädigung Hönickes?

In der „gemeinsamen Erklärung“ von Hönicke und Zimmer heißt es abschließend: „Sowohl Frau Zimmer als auch Herr Hönicke stellen bei heutiger Sicht auf den Verlauf fest, dass offensichtlich beide zur Beeinflussung des Wahlkampfs auf deren Kosten durch Dritte instrumentalisiert wurden.“ Von weiteren Nachfragen sei abzusehen. Dabei bleiben viele Fragen offen. Zimmer ist auch weiterhin für die Presse nicht zu sprechen. Der Tagesspiegel geht von der Echtheit der „gemeinsamen Erklärung“ aus.

Dem Tagesspiegel-Checkpoint sagte Leonhardt am Dienstagmorgen: „Ich bin fassungslos und schockiert über die Erklärung. Das widerspricht allem, was Frau Zimmer uns intern in den vergangenen Tagen berichtet hat.“ Alle wesentlichen Schritte der Linken seien immer mit Zimmer abgestimmt gewesen. Von der „gemeinsamen Mitteilung“ sei die Linke „überfahren“ worden. Zimmer habe Teile davon auch nie so gesagt.

Das widerspricht allem, was Frau Zimmer uns intern in den vergangenen Tagen berichtet hat.

Antonio Leonhardt (Linke) über die Erklärung seiner Genossin Zimmer

Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) gibt an, von der „gemeinsamen Erklärung“ überrascht worden zu sein, im Ältestenrat habe Zimmer noch anders geklungen.

Hintergrund des gesamten Vorgangs ist auch ein Auftritt der umstrittenen Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht in einem Lichtenberger Kino. Stadtrat Hönicke hatte diese als „extreme Hetzerin und Spalterin“ bezeichnet, bat das Kino – als Privatperson, nicht als Stadtrat – darum, den Auftritt abzusagen und stellte die weitere bezirkliche Zusammenarbeit mit der Linken infrage.

Der Auftritt Wagenknechts fand ebenfalls am 26. Januar statt, also am Tag der BVV. Hönicke kritisierte öffentlich, dass Linken-Fraktionsvorsitzender Norman Wolf lieber den Wahlkampfauftritt von Wagenknecht moderiere, als zur BVV zu erscheinen. Wolf war zur Causa Wagenknecht nicht für die Presse zu erreichen – wie alle seine Genossinnen und Genossen, die der Tagesspiegel hierzu anschrieb. Zur BVV erschien Wolf dann verspätet – gerade in dem Moment, als die BVV abgebrochen wurde.


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