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Berlin: Großes Kino der Gefühle beim Europäischen Filmpreis Der programmierte Reinfall

16 Millionen Euro hat Berlin seit 1999 in das Projekt Verkehrsmanagement investiert. Doch bisher funktionieren nicht einmal die Hinweistafeln

„Claude, je vous aime.“ Ach, so eine Liebeserklärung von Isabelle Huppert an Claude Chabrol – das geht schon ans Herz, und auf der Stelle müssten wir jetzt wieder applaudierend aufspringen, wenn wir uns nicht soeben erst hingesetzt hätten. Drei Mal Standing Ovations an einem Abend, und nicht etwa pflichtbewusst, sondern spontan aus vollem Herzen, erst für Jeanne Moreau, dann für Kameramann Carlo di Palma und nun eben für Chabrol, bevor Isabelle, alle wieder gerührt auf ihren Stühlen, sich ihm erklärt - schon deswegen muss man den gestrigen Abend, die Verleihung des Europäischen Filmpreises in der Treptower Arena, als rundum gelungen loben.

Eine makellose Show, ganz großes Kino der Gefühle im Überschwang. Anfangs schien es eher auf eine Santa-Claus-Feier hinauszulaufen, mit Nik Powell, Chairman der Europäischen Filmakademie, als rotbezipfeltes Nikolaus-Double, der sich von Akademiepräsident Wim Wenders die Stichworte für seine Witzeleien zuspielen ließ. Etwas Comedy war dazugemischt, mit dem souveränen Moderator Heino Ferch, der sich, angeblich noch Unter den Linden auf der Suche nach Lars von Trier, auf die fünf Videowände schalten ließ, während man ihn doch schon vorher leibhaftig die Halle betreten sah.

Und dann gab es noch das Wechselbad der Gefühle, dem die Nominierten ausgesetzt waren, und bei dem alle der 1000 Gäste, durch geschickte Dramaturgie animiert, mitfiebern konnten. Katrin Sass? Ging beim großen Preis wieder leer aus, unterlegen der abwesenden Charlotte Rampling, die prophylaktisch schon mal Dankesworte auf Video gesprochen hatte. Aber den Publikumspreis hatte die Sass da doch schon in der Tasche, wie auch „Good Bye, Lenin!“-Regisseur Wolfgang Becker und Hauptdarsteller Daniel Brühl. Der bedankte sich dann, als ihm der Preis für den besten europäischen Schauspieler dieses Jahres zuteil wurde, auf ganz besondere Weise. Zweifach sei Katrin Sass ihm bei den Dreharbeiten Mutter gewesen, im Film durch ihre Rolle und auf dem Set als hilfreiche Freundin und Beraterin. So eng sei die Beziehung gewesen, dass seine leibliche Mutter noch immer eifersüchtig sei.

Den Namen des letztlich siegreichen Films musste dann eigentlich niemand mehr nennen. Es genügte, dass Nik Powell den Kopf eines berühmten ziegenbärtigen Mannes hervorzauberte: Welcome, Lenin! ac

Es wirkt wie ein Scherz: „Verkehr zur City normal“, steht fast jeden Morgen auf den Hinweistafeln der Verkehrsmanagementzentrale Berlin (VMZ). Dann folgt der Hinweis auf „Top-Aktuelle Verkehrsinfos: RBB-Stadtradio 88 acht, Partner der VMZ!“ Anders gesagt: Wer wissen will, was auf den Straßen los ist, schaltet besser sein Radio ein. Das ist die bahnbrechende Erkenntnis, die die 22 Informationstafeln im Stadtgebiet – etwa an der Heerstraße oder am Flughafen Tegel – bringen. Seit September 1999 hat das Land Berlin etwa 16 Millionen Euro für das Vorhaben „Verkehrsmanagementzentrale“ ausgegeben. Ganz zufrieden ist niemand mit dem Projekt. In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht man die VMZ auf der „Teststrecke“, so Sprecherin Petra Reetz.

Vier Jahre Testbetrieb bei einem Vorhaben, das komplett neu zu erfinden war – das ist für die Fachleute in der VMZ und in der Stadtentwicklungsverwaltung nicht viel Zeit. 1999 wollte man schließlich nicht bloß eine Verkehrsinformationsstelle. Die VMZ sollte auch „zur Stärkung der Attraktivität des ÖPNV“ beitragen und „intelligente Vernetzung zum Beispiel mit dem Parkinformationssystem“ bringen, wie es in der Vorlage für den Hauptausschuss hieß.

Von all dem ist auf den Tafeln, pro Stück 35 000 Euro teuer, nichts zu erkennen. So richtig funktionieren nicht mal die Stauwarnungen, wie jeder weiß, der täglich eine oder mehrere dieser Tafeln passiert. Die Baustelle, die seit Tagen kurz vor dem Theodor-Heuss-Platz den Verkehr auf der Heerstraße bremst, gilt an einem Tag als Ursache für einen „Stau“ – der ist dann gerade 50 Meter lang. Am anderen Tag ist der Verkehr wieder „normal“ – dabei vergehen diesmal fünf Minuten, bis sich die Autoschlange an der verwaisten Baustelle vorbei auf den Theodor-Heuss-Platz geschoben hat.

Für die Verkehrsmanager sind die Hinweistafeln so etwas wie der – leider gut sichtbare – Schwachpunkt des Systems. Für Sprecherin Petra Reetz ist es „ein langwieriger Prozess“, aus den Tafeln mit ihren Banal-Aussagen ein echtes Steuerungssystem zu machen. Dietmar Giese von der VMZ spricht von den umfangreichen Informationen, die die Verkehrsmanager auf mobile Computer senden können. Die kosten allerdings ein paar hundert Euro. Immerhin will die VMZ Ende 2004 mit der polizeilichen Verkehrsregelungszentrale so eng zusammenarbeiten, dass zum Verflüssigen von Staus die Ampeln anders geregelt werden können. Die Internetseite der VMZ ( www.vmzberlin.de ) enthält tatsächlich viele Hinweise auf Staus, Baustellen und Verkehrshindernisse. Doch vom „Management“ des Verkehrs ist die Zentrale weit entfernt. Alexander Kaczmarek, verkehrspolitischer Sprecher der CDU, hält die VMZ für „eine der vielen tollen Verkehrsinvestitionsruinen“ des Senats. Den Vertrag hatte sein Parteifreund Jürgen Klemann als Verkehrssenator abgeschlossen. Für Michael Cramer (Grüne) ist das Konzept gescheitert: „Die Verkehrsprobleme kann man nicht technisch lösen.“

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