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Berlin: Erst wird kassiert, dann wird gebohrt

Gestern mussten Patienten bei Bereitschaftsdienst und in Zahnkliniken schon die neue Praxisgebühr entrichten – ab heute verlangen das alle Ärzte

Die Rettungsstellen der Krankenhäuser hatten gestern genug mit betrunkenen und von Schlägereien ramponierten Patienten zu tun, so dass die Mitarbeiter froh waren, nicht noch ein Problem aufgehalst zu bekommen: Die Frage nach der 10-Euro-Praxisgebühr.

„Bei uns ist der Teufel los“, sagte eine Schwester mittags im Kreuzberger Urban-Krankenhaus, wo innerhalb weniger Stunden über hundert Patienten behandelt wurden. Die Unfallstationen und Ambulanzen der Krankenhäuser stellen die Gebühr in Rechnung, sie kommt per Post. „Darüber sind wir sehr froh“, sagte die Schwester. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst ließ sich bei seinen Krankenbesuchen am Neujahrstag gleich auszahlen, allerdings erst ab 7 Uhr. Die Quittung erspart wenigstens die spätere Zahlung beim Hausarzt. Die Leute hätten „wenig gemeckert“, hieß es bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Seit gestern aber ist Kranksein für Kassenpatienten deutlich teurer geworden, und die Praxisgebühr im Quartal ist Merkmal der Gesundheitsreform.

Die Medeco-Zahnkliniken, die auch an Feiertagen geöffnet sind, gehörten mit zu den ersten, die Patienten mit der ungewohnten Praxisgebühr belegen mussten. Wer hier am Donnerstag als Notfall behandelt wurde, muss erneut zahlen, wenn er sich von einem anderen Zahnarzt weiter behandeln lässt. Auch wer sich innerhalb der Klinik von verschiedenen Ärzten behandeln lässt, muss neu zahlen. So gab es hier schon ersten Unmut von Patienten, der sich heute in vielen hundert Praxen fortsetzen wird. Das ärztliche Personal hat sich auf Ärger, viel Bürokratie und Streit eingestellt. Millionen von Zetteln als „Beleg über die Zuzahlung“ liegen bereit. Von der Gebühr bleibe kein einziger Cent in der Praxis, versichern die Ärzte und „bedauern zutiefst das Verfahren. Eine Praxis ist keine Wechselstube.“ Dennoch werden heute vermutlich die ersten hunderttausend Euro zur „finanziellen Ausstattung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ die Seiten wechseln. Jeder erste Arztbesuch im Quartal kostet zehn Euro.

Für weitere Konsultationen bei anderen Ärzten (außer Dentisten) muss der Patient eine Überweisung des ersten Arztes mitbringen, ansonsten erneut zahlen. Gebührenfrei sind Vorsorge-Untersuchungen und Prophylaxe-Behandlungen. Wird im Quartal zusätzlich ein Zahnarzt aufgesucht, sind wiederum 10 Euro fällig. Zudem müssen Patienten bei allen medizinischen Leistungen zehn Prozent mehr bezahlen, mindestens fünf-, höchstens zehn Euro. Das gilt für Medikamente, Bandagen und Massagen.

Bei Massagen kommt noch eine Gebühr von zehn Euro pro Verordnung dazu. Für Zuzahlungen und Praxisgebühren gilt eine Selbstbeteiligung von maximal zwei Prozent des Bruttoeinkommens. Für chronisch Kranke und Sozialhilfeempfänger liegt die Grenze bei einem Prozent. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind von Zuzahlungen befreit.

Christian van Lessen

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