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Berlin: Die kalte Nacht der Museen

Kurz vor ihrem Wegzug aus Charlottenburg wollten viele noch mal rasch zu Nofretete

Will man einem Redner Zustimmung signalisieren, sei vor Winterhandschuhen dringend gewarnt. Auch der wohlmeinendste Beifall wird sich nie zum enthusiastischen Prasseln steigern, es allenfalls zum dumpfen Wummern bringen. Pech also für Berlins Bürgermeisterin Karin Schubert und Kopenhagens Oberbürgermeister Lars Engberg, dass die von ihnen gestern gegen 18 Uhr eröffnete Lange Nacht der Museen nun ausgerechnet auf einen der wenigen Frostabende dieses Winters fiel. Im warmen Roten Rathaus hatten die beiden noch rasch die „Urban Art Stories“ eröffnet, eine deutschdänische Kulturschau. Dann ging es nach draußen, um die Museeumsnacht zu starten. Nur erhielten die beiden für ihre auf den Stufen des Rathauses gehaltenen Reden nur gedämpften Applaus zurück – obwohl immerhin knapp 100 Museumsgänger sich versammelt hatten und auch zwischen den aufgebauten Buden einiges Publikum sich die Zeit bis zur Abfahrt seines Shuttle-Busses vertrieb.

Alle hatten sich gut auf die Minus-Grade vorbereitet, mit dicken Mänteln, Schals, Handschuhen - oder auch einem Fläschchen Kümmerling wie die 63-jährige Gisela Stiller aus Pankow. Und wer nichts Flüssiges zum Aufwärmen dabei hatte, schlürfte eben zum Start in die Nacht am Rathaus eine heiße Schokolade mit Rum wie die 27-jährige Anja Stahlkopf, Studentin für Wirtschaftsrecht und schon deswegen ein vorsichtiger Typ: Vier Schichten Kleidung, da konnte nichts schiefgehen.

Kurz vor dem ersehnten Blick auf die Kunst wird mancher eingemummelte Museumsfreund aber aufgeseufzt haben, als er aufgefordert wurde, sich vor Betreten der Ausstellungshallen erst mal zu entpellen und den Mantel ordentlich an der Garderobe abzugeben. So war es jedenfalls in der Berlinischen Galerie in der Alten Jakobstraße, im Herbst eröffnet und diesmal zum ersten Mal bei der Langen Nacht dabei. Mützen durfte man aber aufbehalten, das tat die 68-jährige Irmgard von zur Mühlen, Dokumentarfilmerin von Beruf, denn auch. Sie hatte ja noch viel vor, wollte ins Jüdische Museum und dann zu der neu eröffneten Pollock-Ausstellung ins Guggenheim Unter den Linden.

Gegen 19 Uhr war es in der Berlinischen Galerie noch kein Problem, den Mantel schnell loszuwerden, der Andrang blieb überschaubar, aber der Abend war ja noch lang. Gut also, dass der 25-jährige Heiko Metzger aus Schöneberg und der 28-jährige Michael Fuchs aus Charlottenburg schon so früh hierhergekommen waren, hatten sie sich doch vorgenommen, nur Museen zu besuchen, bei denen man nicht lange anstehen musste.

Das Ägyptische Museum in Charlottenburg fiel zu diesem Zeitpunkt für sie bereits flach: Zu viel los. Kann schon sein, dass es dort auch wegen der Witterung so viele hinzog, die mit Ägypten wohlige Wärme verbanden. Aber der Hauptgrund war unzweifelhaft Nofretete. Es hat sich herumgesprochen, dass sie ihr angestammtes Heim bald verläßt, aber möglicherweise nicht, dass sie dann nur wenige Tage nicht zu sehen ist. Und so war es dann eben gestern Abend, als müsste man sie jetzt bis auf weiteres ein letztes Mal besuchen . Viele wollten auch ein Abschiedfoto schießen, die Kunstwächter mussten immer wieder mahnen, doch bitte kein Blitzlicht zu benutzen.

„Eine überwältigend schöne Frau“, begeisterte sich der 60 Jahre alte Rolf Kröchert, gerade aus Hildesheim nach Berlin gezogen und zum ersten Mal zu Besuch bei der alten Dame. „Ägypten hat mich schon immer fasziniert“, begründete dagegen Nicole Drögehorn, 31 Jahre alt und aus Wiesbaden, ihre Visite bei Nofretete. Viel hatten sie und ihr Bekannter Jens Frister aus Tiergarten noch vor, wollten zur Alten Nationalgalerie und dann ins Zoo-Aquarium mit seiner Wärme - an diesem Abend ein gutes Argument für die Kunst. Sogar der Untergrund lockte mit Frühling: Bis zu 20 Grad werde sich der Bunker am Gesundbrunnen im Laufe des Abends wohl erwärmen, versprach Ingmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten.

Für den Nachwuchs hatte die Lange Nacht schon am Tage begonnen. In der Alten Nationalgalerie beispielsweise gab es einen Familienrundgang, der Adolph Menzel als „Freund der Kinder und guten Beobachter“ vorstellte. Auch in anderen Museen kümmerte man sich vor dem offiziellen Start des nächtlichen Kunst-Marathons um die kinder: Im Technikmuseum gab es eine Bastelstunde mit elektronischen Bauteilen – es entstand „blinkender Schmuck“. Und im Märkischen Museum bauten Kinder Fantasieinstrumente aus Blech, Stahl und Eisen und zogen damit lärmend ums Gebäude bis zum Zwinger im Köllnischen Park. Dort saß Stadtbär Tilo vergnügt im Schnee. ac, cf, cs

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