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Ladenöffnung: Das Wort zum Sonntag

Heiliger Ruhetag oder stressfreie Einkaufstour? Wie Kunden und Verkäufer in Ost und West auf das Gerichtsurteil reagieren.

Im Steglitzer Schloss-Center werden „süße Weihnachtszeiten“ versprochen, die Geschäfte sind sieben Tage die Woche geöffnet. Rentner, würde man denken, brauchen das gar nicht, aber so einfach ist die Sache nicht. „Ich muss vorgucken“, sagt Wera Lindner, 66, schwarzer Hut, schwarzer Ledermantel. Vorgucken bedeutet, an Werktagen interessante Geschenkideen auszuspionieren, damit die Familie, also Tochter, Schwiegersohn und Enkelkinder, am Sonntag gezielt einkaufen können. Deshalb findet Frau Lindner das Urteil vom Bundesverfassungsgericht falsch. Und die Kirchen? „Ich bin aus der katholischen Kirche ausgetreten.“ Schuld daran sei der Papst.

Die Kirchen und ihr Sonntagsvorbehalt sind den meisten Kunden ziemlich schnuppe – egal wo man fragt, ob Ost oder West. Wer will, kann ja in die Kirche gehen, ist ja ohnehin morgens, und das Sonntagsshopping beginnt erst um 13 Uhr. Für die Verkäufer gibt es schon etwas mehr Verständnis.

„Die tun uns leid“, sagt Mareike Mielke, 19 Jahre. Ihr Freund, den sie fest an der Hand hält, ist schließlich selber Verkäufer, „in Zehlendorf in einem kleinen Bettenladen“. Aber „Zehlendorf ist ja ein ganz anderes Leben“, sagt der Freund, der Oliver Weiland heißt. „Samstags haben wir bis 13 Uhr geöffnet, sonntags ist ohnehin alles zu.“ Und weil er nicht arbeiten muss, geht er sonntags schon mal einkaufen – „eigentlich ist das ja von Vorteil für uns“.

„Ich kenne keinen, der sonntags gerne arbeitet“, meint Sebastian, circa 40 Jahre alt, Bankkaufmann, der seinen Nachwuchs durchs Center schiebt. „Sonntag ist reiner Ruhetag“, nicht wegen der Kirche, sondern weil man eben einen ruhigen Tag in der Woche brauche. Pia, Mitte 20, selbstständige Finanzdienstleisterin, ist zwar in der Kirche, findet Sonntagsshopping trotzdem richtig. Sie arbeite sonntags schließlich auch, wenn es was zu tun gebe, „das finde ich ganz normal“. Wenn es nichts zu tun gibt, geht sie einkaufen, „weil man das Geld ja auch mal ausgeben muss“.

Am Alexanderplatz dominieren drei Gruppen von Konsumenten das Innenleben der „Galeria Kaufhof“: Touristen, Mütter mit Kinderwagen und Rentner – wie das Ehepaar Hogh, das in der Spielwarenabteilung für den Enkel einkauft. Die beiden können das Urteil des Verfassungsgerichts nicht nachvollziehen: „Die Sonntage sind wichtig für Leute, die in der Woche arbeiten. Wer will, kann doch trotzdem in die Kirche gehen.“ Randi Ehlert, 28, die mit ihrer Mutter Stiefel anprobiert, sieht das anders: „Ich habe selbst zwei Jahre als Kassiererin gearbeitet und weiß, wie anstrengend das ist. Freie Adventstage sind wichtig für die Familie.“

Und die Angestellten? Im Alexa-Center freuen sich die meisten über das Urteil gegen Sonntagsshopping. „Das Alexa hat in der Woche bis 22 Uhr geöffnet, das muss reichen. Früher hat man gesagt: Der Sonntag ist mir heilig. Und das ist auch so – schließlich will man auch mal was mit seinen Freunden unternehmen“, findet ein Vero-Moda-Angestellter. Kompromissbereit zeigt man sich im Media-Markt: „Zwei Adventssonntage“, sagt die 22-jährige Nina Markwart, „das wäre ja noch erträglich.“ Gebraucht wird aber die ganze Mannschaft, und zwar an allen Feiertagen in der Adventszeit. Ausgeglichen wird das durch mehr Geld. Darauf würde Nina Markwart aber gerne verzichten. „So kommt doch keine Weihnachtsstimmung auf.“ Ein Kollege nickt zustimmend.

Das Alexa, am Wochenende No-Go-Area für Menschen mit Platzangst, ist am Dienstagmittag gut besucht: Eine Gruppe Touristen zupft am Lametta der überdimensionalen goldenen Kunsttanne, eine Schlange Einkäufer umringt die Bäckertheke, auf einer der Ruhebänke sitzen die Schüler Florian, 15, und Til, 14. Sie knabbern an belegten Baguettes, die so lang sind wie ihre Unterarme. Beim Thema Adventsshopping sind sie geteilter Meinung. Während Til meint, die arbeitende Bevölkerung habe ein Recht auf den verkaufsoffenen Sonntag, ist Florian skeptisch: „Die Einkäufe sind auch so zu schaffen“, sagt er. „Das sieht man doch, wenn die Läden mal bis 0 Uhr offen haben: Da geht keiner hin.“

Lydia Brakebusch/Thomas Loy

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