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Das Tiroler Restaurant am Fuße der „Alpen“ auf der Gewerbeausstellung 1896 im Treptower Park.

© Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Bild gemeinfrei

Berliner Gewerbeausstellung 1896: Als eine Kreuzberger Firma die Alpen nachbaute

In Folge 16 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte geht es um eine spektakuläre Bergfahrt im Treptower Park.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Am 1. Mai 1896 feierte Berlin im Treptower Park die Eröffnung der Gewerbeausstellung, die als „verhinderte Weltausstellung“ in die Geschichte einging. Das rund 100 Hektar große Gelände war nur zum Teil fertig gebaut. Abgesehen von diesen Verzögerungen trübte das schlechte Wetter die Stimmung. Wegen des Regens drohte die gesamte Schau ins Wasser zu fallen. Dabei hatte man hier alles gegeben, um Berlin und das Deutsche Reich von der besten Seite zu zeigen und die Konkurrenz aus Paris im Bereich Ausstellungskunst in den Schatten zu stellen.

Für einen Berliner „Eiffelturm“ langte es nicht, aber unter den 300 Ausstellungsobjekten hatte man etwas anderes Imposantes geschaffen: ein Alpenpanorama. Das circa 30 Meter hohe Kunstwerk nannte sich „Bergfahrt im Zillerthal zur Berliner Hütte“. Besucher konnten eine Fahrt durch das berühmte Tal in Tirol nachempfinden.

Die falschen Alpen wurden von Berliner Firma Boswau & Knauer mit Sitz in der Gneisenaustraße 60 in Kreuzberg hergestellt, ihre Leute galten als Spezialisten für temporäre Ausstellungsarchitektur. Sie verdankten ihre Erfolge zum großen Teil einem anderen Berliner Unternehmer: Carl Rabitz und dessen Draht- und Putzwandbauweise.

Der offizielle Plan der Berliner Gewerbeausstellung 1896.

© Gemeinfrei. via ZLB

Boswau & Knauer beherrschten auch die Kunst des faux terrain, einer cleveren Verbindung von 3D-Objekten, Gemälden und visuellen Illusion, die bei den Zuschauern einen Eindruck von echtem Terrain erzeugt. Das Prinzip kannte man aus damals schon sehr beliebten Schlachtpanoramen.

So ließ das Unternehmen für die 1896er-Ausstellung die Alpengipfel und Tal an der Spree entstehen. Die Entwürfe entstanden in enger Zusammenarbeit mit zwei Alpen-Experten und Mitgliedern des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Dessen Berliner Sektion hatte 1879 die echte „Berliner Hütte“ im echten Zillertal erbauen lassen.

Das Alpenpanorama Zillertal, so abgebildet im Katalog der Berliner Gewerbeausstellung 1896.

© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Der Berg war eine gigantische Eisen- und Drahtgewebekonstruktion, die danach mit Kalk verputzt und sehr geschickt bemalt wurde. Eine Zahnradbahn brachte die Besucher durch das Tal ins Innere des Berges und lud sie ein, die „Aussicht“ während der Fahrt zu genießen. Den falschen Gipfel könnte man über einen elektrischen Aufzug erreichen.

Erholung danach holte man sich, jawohl, in einer Tiroler Gaststätte – einem von vielen Restaurants auf dem riesigen Ausstellungsgelände. Es lag am Fuße des Berges auf der sogenannten „feuchten Wiese“. Dieser Name entpuppte sich als schlechtes Omen: An 120 der insgesamt 165 Tagen, die die Gewerbeausstellung dauerte, regnete es.

Das lässt sich beim Betrachten der zeitgenössischen Fotos von 1896 nicht erkennen. Da strahlen die „Alpen“, die nachgebaute Cheops-Pyramide genau wie ein „Alt-Berlin“ mit zwei Stadttoren und dem künstlich angelegten Neuen See fast immer mit der Sonne um die Wette. Und als im Oktober 1896 die Gewerbeausstellung zu Ende ging, verschwanden sie alle wie ein Traum. Die Abbruchkosten waren praktischerweise gleich in den Bewerbungen einkalkuliert worden.

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