zum Hauptinhalt
Maskenpflicht im Büro, keine Feiern mit mehr als 50 Personen - das sind die neun Corona-Regeln in Berlin.

© Clara Margais/dpa

Kritik an Corona-Regeln: Berlin sollte lieber Partys kontrollieren, als Masken im Büro anordnen

Kritik kommt an den verschärften Regeln kommt aus der Wirtschaft. Die FDP droht mit Verfassungsklage. Unerwartetes Lob gibt es aus Bayern.

Angesichts steigender Infektionszahlen in Berlin hat der Senat am Dienstag strengere Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. Daran gibt es allerdings viel Kritik. Unter anderem gilt bei privaten Feiern im Freien ab Samstag eine Obergrenze von 50 Teilnehmern, in geschlossenen Räumen von 25. In Büro- und Verwaltungsgebäuden ist außerdem künftig vorgeschrieben, etwa im Flur und im Aufzug eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

„Die erneuten Eingriffe in die Grundrechte der Menschen in unserer Stadt sind nur n och schwer zu vermitteln, weil eine klare Linie fehlt“, kritisierte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja am Mittwoch.

„Die Fraktion der Freien Demokraten im Abgeordnetenhaus behält sich vor, die Verfassungs- und Rechtmäßigkeit der Verordnung prüfen zu lassen“, so der Fraktionschef. Statt blindem Aktionismus seien Augenmaß und pragmatische Lösungen das Gebot der Stunde. „Die Gesundheit der Menschen ist ein hohes Gut, aber auch bei steigenden Infektionszahlen kann der Gesundheitsschutz nicht über alle Freiheitsrechte gestellt werden.“

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hält die Beschlüsse dagegen für genau richtig - und stellte in Aussicht, dass es weitere Verschärfungen geben könnte: „Unser Berliner Ampelsystem zeigt eindeutig in Richtung Handlungsbedarf. Gut, dass die Beschränkungen für private Feiern beschlossen wurden.“ Es müsse verhindert werden, dass das Infektionsgeschehen aus dem Ruder laufe.

Die Berliner CDU-Fraktion hat dem rot-rot-grünen Senat vorgeworfen, beim Umsetzen der eigenen Regeln zu versagen. „Mit den Verboten ist der Senat immer schnell, mit der Umsetzung ist er außerordentlich erfolglos“, sagte Fraktionschef Burkard Dregger.

Kontrollen auf "undisziplinierte Superspreader-Partys" gefordert

„Wir haben erkannt, dass in bestimmten Bezirken in Berlin das Infektionsgeschehen überdurchschnittlich gestiegen ist, dazu gehören Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg“, sagte der Oppositionsführer. „Deswegen erwarte ich, dass der Senat die Kontrollressourcen gezielt dort einsetzt, wo das Infektionsgeschehen nach oben geht und wo es undisziplinierte Superspreader-Partys und andere Zusammenkünfte gibt.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lobte am Mittwoch die Entscheidung zur Maskenpflicht im Büro: „Ich finde richtig, dass Berlin endlich den Schalter umgelegt hat.“ Söder war am Mittwoch zu Gast in Berlin bei der Präsidiumssitzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). BDA-Präsident Ingo Kramer kritisierte den Beschluss dagegen: „Ich bin mir nicht ganz im Klaren, ob Maskenpflicht im Büro uns weiter voranbringt oder vielleicht ein bisschen ein Placebo ist.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Kritik gab es auch von der Berliner Wirtschaft: „Wir wissen von einer Reihe von Unternehmen, die die Maskenpflicht im Büro schon längst eingeführt haben“, sagte Christoph Irrgang, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin am Mittwoch.

Jedes Unternehmen habe großes Interesse daran, die Ansteckungsrisiken gering zu halten. „Das ändert jedoch nichts daran, dass es für eine Eindämmung des Infektionsgeschehens sicher hilfreicher wäre, wenn die Einhaltung bereits bestehender Regeln konsequenter kontrolliert würde, anstatt neue Vorgaben einzuführen.“

Unternehmerverband nennt Maskenpflicht im Büro "unverständlich"

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer bei der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), wies darauf hin, dass sich die Unternehmen frühzeitig um ausgefeilte Hygienekonzepte an den Arbeitsplätzen gekümmert hätten. Die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice werde außerdem intensiv genutzt. „Auch deshalb ist die Ansteckungsgefahr an den allermeisten Arbeitsplätzen nach allem, was wir wissen, gering.“

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Die bundesweit geltende Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel lege Hygiene- und Abstandsvorschriften am Arbeitsplatz außerdem bereits fest. „Uns ist unverständlich, warum Berlin mit der Einführung einer Maskenpflicht in Büros jetzt einen Sonderweg beschreiten will“, kritisierte Amsinck und forderte den Senat auf zu erklären, auf welcher wissenschaftlichen Basis diese Entscheidung beruhe.

Wirte können Schummeleien kaum kontrollieren

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga wiederum sieht kaum Möglichkeiten zu verhindern, dass Gäste schummeln, wenn sie im Restaurant ihren Namen hinterlassen sollen. „Wenn jemand einfach einen anderen, falschen Namen schreibt, hat der Gastronom keine Chance“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Dehoga Berlin, Thomas Lengfelder, am Mittwoch.

Etwas anderes sei es bei offensichtlichen Fake-Namen wie Donald Duck. „Da muss der Gastronom kurz draufgucken und sagen „Trag mal bitte deinen richtigen Namen ein““, sagte Lengfelder. „Aber er ist nicht befugt, den Personalausweis zu verlangen. Gastronomen sind Unternehmer und keine Aufsichtsbehörde.“

Laut der geltenden Infektionsschutzverordnung müssen Gäste Vor- und Familiennamen, Telefonnummer, Anschrift oder E-Mail-Adresse und Anwesenheitszeit angeben. Gastronomen sind verpflichtet, eine solche Anwesenheitsdokumentation zu führen, Gäste dazu, vollständige und zutreffende Angaben zu machen.

„Wir appellieren seit vielen Wochen an Gastwirte und Gäste, dass sie sich an die Dokumentationspflicht halten sollen“, sagte Lengfelder. „Das ist auch kein Kavaliersdelikt, wenn man das nicht macht. Es betrifft letztendlich uns alle, wenn die Verordnung wieder verschärft wird.“

Er gehe davon aus, dass die große Mehrzahl der Berliner Gastronomen sich daran halte. „Ich kann nur an den Gast appellieren: Wenn ich in einen Gastronomiebetrieb gehe, der kein Hygienekonzept hat, auf keine Abstandsregeln achtet, keine Gäste registriert, dann bin ich durchaus in der Lage zu sagen, dann gehe ich woanders hin“, sagte Lengfelder.

„Wenn ein Gastronom einem Gast das vorlegt und der sich weigert, das auszufüllen, auch wenn die Zeit noch so hart ist, dann muss ich sagen: „Tut mir leid, dann müssen Sie woanders hingehen“.

Wolfgang Albers (Linke), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Abgeordnetenhaus, findet den Beschluss ebenfalls nicht einleuchtend: „Warum nun ausgerechnet in den Verwaltungen Masken getragen werden müssen?“, fragte er im RBB-Inforadio am Mittwoch.

„Irgendwann wird der Tag kommen, da wird man solche Maßnahmen auf die wissenschaftliche Evidenz überprüfen. Das ist im Moment so emotionalisiert, dazu kann man kaum eine sachliche Aussage machen. Da wird Handeln auch vorgetäuscht“, sagte Albers. „Ich weiß nicht, ob uns das auf die Dauer wirklich weiterhilft.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false