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Winter in Berlin

© Peters

Winter in Berlin: Auf Eis gelegt

So viel Schnee war selten: Autofahrer müssen Zwangpausen einlegen – und sogar Hubschrauber dienen als Räumgerät.

Berlin wird jetzt eingehüllt von einer mindestens 27 Zentimeter dicken Schneedecke – so viele Flocken sind in dieser Stadt zuletzt 1979 gefallen. Und überall türmen sich weiße Berge. In nördlicher gelegenen Hauptstädten lächeln die Leute über diese Schneehöhen, doch für die Berliner ist sie eine Herausforderung.

Für sie kommt’s dicke. Postboten, Müllmänner, Eltern mit Kinderwagen, Klaviertransporteure, Sportverletzte an Krücken, Rollstuhlfahrer – sie alle kämpfen sich durch die Mulchberge auf vielen Gehwegen. Der Fußgängerverband „Fuss e.V.“ kritisierte jetzt ungenügende Winterdienstaktivitäten von Hausbesitzern sowie auf öffentlichem Gelände. Auch in Mariendorf beklagen Hausbesitzer, dass Gehwege verspätet oder nur mangelhaft geräumt werden. Der Verein Fuss warnt nun davor, dass infolge des aus ökologischen Gründen umstrittenen Einsatzes von Streusalz der zunächst freigetaute Weg doch wieder überfriert.

Die Grüne Woche wird gespurt. Damit alle Aussteller und Besucher ab Freitag freie Bahn haben, schaufeln derzeit Winterdienstler den Schnee auf dem Messegelände auf Lkw und laden ihn in „toten Winkeln“ des Areals wieder ab.

Hubschrauber als Schneepflug. Weil das Olympiastadion täglich für Besucher geöffnet ist, haben Mitarbeiter zunächst die Eiszapfen am Dach von der Hebebühne aus abgeschlagen. Dann flog ein Hubschrauber mit schräg gestellten Rotorenblättern übers Stadiondach und wehte den Schnee herunter. Die Stadionverwalter wollten diese Technik aus der Kirschernte mal ausprobieren, „Windrose Air“ musste sich die Genehmigungen dafür besorgen. Der Test sei gelungen: 2500 Euro habe das gekostet, Kletterer hochzuschicken wäre gefährlicher und teurer gewesen, sagt der Stadion-Sprecher.

Aufs Dach gestiegen. Am Bahnhof Ostkreuz in Friedrichshain haben Arbeiter derweil die Überdachung vom Schnee per Hand befreit. Auf dem Dach des Hauptbahnhofes halten Fangrohre Schneebretter zurück – und am Boden warnen sicherheitshalber Hinweisschilder. Damit Touristen und Mitarbeiter nicht von durch die Schlitze im Segeldach fallende Minilawinen bedeckt werden, waren Industriekletterer auf dem Dach des Sony-Centers am Potsdamer Platz als Winterdienstler im Einsatz.

Über Berge zum Auto kämpfen. Wer sich in Berlin von A nach B bewegen will und dabei keine Schlitten oder Langlaufski als Transportmittel benutzt, hat es gerade schwer. Von der S-Bahn wollen wir gar nicht reden. Und wer sein Auto ein paar Tage nicht vom Straßenrand bewegt hat, kommt kaum noch weg. Viele geparkte Fahrzeuge sind von einem dicken weißen Wulst eingeschrankt, die die Schneepflüge der Berliner Stadtreinigungsbetriebe am Rand der Fahrspuren aufgehäuft haben. Anders ginge es leider nicht, die Verpflichtung zur Sicherung des Straßenverkehrs habe Priorität, heißt es bei der BSR. Eine technisch praktikable Möglichkeit, Schnee aufzusaugen und abzutransportieren, gebe es nicht. Man bemühe sich aber, an freien Ecken Schneeberge aufzutürmen und sie so aus dem Weg zu schaffen. Wenn man Schneefräsen wie in Bayern benutzte, würde der ganze Schlamassel auf den Gehwegen, auf Schaufenstern und Balkonen landen. Dass jetzt die Männer in Orange jede einzelne Straße mit Schippen ablaufen und die Schneeberge am Straßenrand beseitigen, sei nicht zu leisten, so die BSR.

Nur die Ruhe bewahren. Zugeschippte Autos, hochgesprühter Gehwegsplitt auf der Frontscheibe – bei all dem sollten Autofahrer doch vor allem eines beweisen: Gelassenheit. Das empfiehlt dieser Tage sogar die Automobilistenlobby vom ADAC. Wen solle man schon verklagen, gibt die Pressestelle zu bedenken: Autofahrer sollten lieber, wie früher Usus, eine Handschippe dabei haben, oder einen kleinen Spaten mit verkürztem Stil, um sich freizuschaufeln: Da setze man die Energie an der richtigen Stelle ein, heißt es: Lieber über den Jahrhundertwinter freuen statt meckern.

Auf Rekordkurs. Nur der März 1979 war weißer: Da fielen in den ersten drei Tagen des Monats mehr als 30 Zentimeter Schnee, wissen die Meteorologen von der Freien Universität Berlin. Da es kalt bleiben sollte, könnte der Januar 2010 als der kälteste Wintermonat seit Februar 1947 eingehen, wenn die Tage weiter allesamt „Eistage“ unter Null Grad bleiben. Das könnte so kommen –laut Tagesspiegel-Wetterdienst Mowis bleibt es frostig, die Sonne kommt aber mal raus – und womöglich noch mehr Schnee.

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